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„Ölige Ziege“, so titulierte Luis Trenker (Tobias Moretti) Leni Riefenstahl (Brigitte Hobmeier), weil sie ihm in „Der heilige Berg“ die Show gestohlen hatte.

© BR

ARD-Film über Luis Trenker: Des Führers Gipfelstürmer

Das ironische Biopic über Luis Trenker zeigt die Berglegende als Opportunisten. Was ihn mit Leni Riefenstahl neben ihrer Affäre sonst noch verband, wird ebenfalls verhandelt.

Ja, die Leni, so ein Luder. Zieht sich das Frauenzimmer doch glatt bis auf den Büstenhalter aus. Oben am Berg, mitten im Schnee, wo Arnold Fanck 1926 mit der Riefenstahl, seiner jüngsten Entdeckung, und dem eingeführten Star Luis Trenker das Drama „Der heilige Berg“ dreht. Trenker hat eine Affäre mit der jungen ehrgeizigen Ausdruckstänzerin und explodiert vor Wut. Zornesrot schreit er los. Dass sie das nur mache, um Kameramann Hans Schneeberger zu becircen, sie größer ins Bild zu nehmen. Dass sich das nicht gehöre. Worauf Riefenstahl zurückfaucht: „Ich gehöre nur mir!“ Rumms, da geht sie vor strahlendem Bergpanorama zu Ende, die private Liaison des Traumpaars des frühen deutschen Bergfilms. Prompt rächt sich Trenker, dessen Name es diesmal nur ärgerlich klein aufs Filmplakat schafft. Bei der Premiere nennt er sie vor der versammelten Presse verbindlich lächelnd „ölige Ziege“.

So saftig, so kolportagehaft geht es streckenweise in Wolfgang Murnbergers ironischem Biopic über Luis Trenker zu. Und wie es angesichts der schillernden Karriere des ewigen Naturburschen, Architekten, Olympiarodlers, Bergsteigers, Regisseurs, Autors, Schauspielers und Fernsehmärchenonkels Luis Trenker nicht anders sein kann, wächst „Luis Trenker – Der schmale Grat der Wahrheit“ in vielerlei Hinsicht aus dem Fernsehformat heraus. Die Bergpanoramen, die nostalgisch-warmen Farben, die sanfte Lichtstimmung (Kamera: Peter von Haller), die schwelgerische, auftrumpfende Musik (Levan Fasharuli, Gerd Baumann) und die eleganten Settings in Venedig, München, Berlin und Südtirol sind durchaus kinotauglich.

Dort war der in deutsch-österreichischer Koproduktion entstandene Schlagabtausch zweier egomanischer Künstler mit Tobias Moretti und Brigitte Hobmeier als Luis und Leni nach der Uraufführung auf dem Münchner Filmfest auch im September zu sehen. Allerdings nur im angestammten Revier des Alpinisten – in Österreich und in Südtirol, wo dem Bergfilmpionier in seiner Heimatgemeinde St. Ulrich eine prächtige Promenade mit Fotografien und Infotafeln gewidmet ist.
Wolfgang Murnberger verfilmt als lakonischer Meister des schwarzen Humors sonst gerne Wolf Haas‘ „Brenner“-Krimis. Im jüngsten – „Das ewige Leben“ – hatte er ebenfalls Tobias Moretti besetzt, als glänzend gespielten Antagonisten des stoischen Josef Hader. Und auch als Luis Trenker ist schlicht keine bessere Wahl vorstellbar als der den ebenso kernigen wie windigen Charakter kongenial treffenden Moretti. Der ist zwar im Nebenberuf Tiroler Bergbauer, fand Trenkers Filme aber immer nur „absurd, wenn auch faszinierend in ihrem dramatischen Anspruch“. Und Brigitte Hobmeier, deren Leni Riefenstahl qua Drehbuch ein bisschen eindimensional zwischen Diva und Hysterikerin changiert, kannte ihn nur als verschrobenen Geschichtenerzähler aus dem Fernsehen.

Dieses Onkelimage des späten Luis Trenker konterkariert der Film: Dreh- und Angelpunkt der 1948 spielenden Geschichte ist die haarsträubendste Trenker-Episode überhaupt. Der Skandal um die Tagebücher der Eva Braun, die der ständig in Plagiats- und Urheberrechtsprozesse verstrickte Trenker an Zeitungen verkaufte, groß verfilmen wollte und mutmaßlich in „Schtonk“-Manier selber gefälscht hat.

Luis Trenker wollte die Tagebücher von Eva Braun verfilmen

Mit dem Manuskript in der Tasche bemüht er sich über seinen ehemaligen jüdischen Produzenten Paul Kohner, der vor den Nazis nach Hollywood floh, auf den Filmfestspielen von Venedig um amerikanische Finanziers. Währenddessen läuft in München ein Prozess der Familie Braun gegen die Veröffentlichung des von Intimitäten und Banalitäten aus dem Führerleben wimmelnden Manuskripts. Regisseurin Riefenstahl, die darin als nackt vor dem Führer auf dem Obersalzberg tanzend verunglimpft wird, tritt als Nebenklägerin auf. Daraus entspinnt sich ein in Rückblenden in die 20er und 30er Jahre springender Showdown zweier getriebener Opportunisten, die um der Möglichkeit des Filmemachens willen, skrupellos mit Hitler und Goebbels poussieren.

1937 fällt der 1940 doch noch in die NSDAP eingetretene Trenker bei den Nazis jedoch in Ungnade. Zwar verehren sie seine Filme, wie das patriotische Historiendrama „Der Rebell“ über den Tiroler Widerstand gegen die napoleonische Besatzung oder das fast schon neorealistische Auswandererdrama „Der verlorene Sohn“. Aber dass er in der deutsch-italienischen Koproduktion „Condottieri“ die als Komparserie eingesetzte Leibstandarte Hitlers vor dem Papst in die Knie gehen lässt, verzeihen sie ihm nicht. So wenig wie das Zögern des stets das deutsch- wie italienischsprachige Publikum hätschelnden Stars, in der Südtirol-Frage für das Deutsche Reich zu optieren. Und seinen Unwillen, bei Filmdrehs auf ausländische Darsteller oder jüdische Produzenten zu verzichten.

Mehr als über diese Ambivalenzen des 1892 geborenen und 1990 gestorbenen Dolomiten-Königs Trenker staunt „Der schmale Grat der Wahrheit“ jedoch über die Chuzpe und innere Unverwundbarkeit des notorischen Dampfplauderers, der nach dem Krieg weiter Filme dreht und vor allem als wild gestikulierender, fröhlicher Mythomane des eigenen Lebens Kult im wie für ihn erfundenen Medium Fernsehen wird. Wolfgang Murnberger hat es begriffen: An einem schneidigen Bergburschen, der wie der Trenker-Luis die Heimat liebt und als Künstler mit sich im Reinen ist, bleibt der Dreck nun mal nicht kleben. „Luis Trenker – Der schmale Grat der Wahrheit“, ARD, Mittwoch, 20 Uhr 15

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