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Halb Krimi, halb Comedy: Cem-Ali Gültekin im Sven-Kostüm sorgt bei Hauke Jacobs (Hinnerk Schönemann) und Polizistin Lona Vogt (Henny Reents) für Unverständnis.

© NDR/Gordon Timpen

ARD-Krimi "Nord bei Nordwest": Keine Angst vorm wilden Sven

Krimi? Komödie? Mystery? Die neue Folge von „Nord bei Nordwest“ kann sich nicht entscheiden und versinkt darum im Ostsee-Nebel.

Dieser wilde Sven hat unüberhörbar türkische Wurzeln. Der Fellmantel und der mit Hörnern versehene Helm passen zwar durchaus zu einem Wikinger und auch der Bart von Mehmet Ösker (Cem-Ali Gültekin) erinnert an einen kriegerischen Nordländer, doch die Was-guckst-du-Sprache macht die Maskerade offensichtlich. „Ab heute ist Wilde-Sven-Tour jede volle Stunde. Kommst du, o. k.?“, wirbt Ösker für seine Unternehmung im Ostsee-Ort Schwanitz. Ösker ist dabei wohl der Einzige in Schwanitz, der sich über dieses Ereignis freut, denn der Rest der Bevölkerung fürchtet den jahrhundertealten Fluch, der auf den Menschen des Ortes der Ostsee-Insel Priwall lastet. Weil die Schwanitzer vor über tausend Jahren jenen Wikinger in eine Falle lockten und ermordeten, kehrt der wilde Sven nun alle sieben Jahre an den Ort zurück und holt sich am 24. und 25. Februar immer zwei seiner Bewohner. Und natürlich stehen diese beiden schicksalhaften Tage in der neuen Episode der ARD-Reihe „Nord bei Nordwest – Der wilde Sven“ wieder kurz bevor.

Neben Mehmet Ösker gibt es allerdings doch noch einen anderen Bewohner von Schwanitz, der mit der Sage vom wilden Sven nichts anfangen kann: den Tierarzt Hauke Jacobs, der hier erst seit Kurzem lebt und von dem Aberglauben nichts wissen will. Bevor es ihn an die Ostsee zog, hatte Jacobs einen ganz anderen Job. Er war Polizist, aber die genaueren Umstände, warum er nicht mehr in diesem Beruf tätig sein will, sind nicht bekannt. Wie wie nicht anders zu erwarten war, gibt es bald den ersten Toten. Der Mann ist offenbar mit Wasser in den Lungen in seinem Bett ertrunken. Grund genug für Dorfpolizistin Lona Vogt (Henny Reents), den Ex-Polizisten zu reaktivieren.

Gespielt wird Hauke Jacobs von Hinnerk Schönemann, der bereits mehrfach in ähnlichen Küsten-Rollen tätig war. Und auch in dieser Reihe gibt er den etwas begriffsstutzigen, aber sympathischen Norddeutschen, der durchaus seine Ziele erreicht. Zudem fühlen sich die Frauen aus nicht näher beschriebenen Gründen immer zu ihm hingezogen. In „Nord bei Nordwest“ buhlen gleich zwei Rothaarige um seine Gunst. Neben der örtlichen Polizistin möchte auch Jacobs Assistentin Jule Christiansen (Marleen Lohse) ihm näherkommen.

Spiel mit norddeutschen Legenden

„Der wilde Sven“ ist nicht der erste deutsche TV-Film, der mit alten norddeutschen Legenden spielt. Einer der besseren war 1999 die ProSieben-Produktion „Biikenbrennen“. In dem Film mit Christoph M. Ohrt und Anja Kling trieb ein Pirat sein Unwesen, der als Wiedergänger jedes Jahr versuchte, ein kleines Kind zu holen – in diesem Fall allerdings an der Nordseeküste. Nur wenn sich alle Bewohner an dem großen Feuer – dem Biikenbrennen – beteiligen, kann der Fluch abgewendet werden. Ein Hinzugezogener wollte sich nicht daran halten, flugs wurde seine kleine asthmakranke Tochter entführt. Im Gegensatz zum ARD-Film um den wilden Sven war „Biikenbrennen“ eher eine Mystery-Geschichte als ein Krimi, dafür aber rundherum gut gemacht. Damit lag er auf der Linie mit einer anderen Produktion aus dem Hause ProSieben namens „Gonger“, die es sogar auf zwei Teile brachte. Mit der Verfilmung dieser Gruselgeschichte nach einer weiteren norddeutschen Legende bewies der Münchner Privatsender, dass es durchaus möglich ist, in Deutschland einen netten kleinen Horrorstreifen zu drehen. Hier stimmte alles – angefangen bei der Besetzung des dämonischen Jungen Eric mit dem hintergründig böse dreinschauenden Dario Stankewitz über das Engagement des Die-Ärzte-Sängers und Schlagzeugers Bela B. bis hin zur musikalischen Untermalung durch Komponist Ralf Wengenmayr.

„Nord bei Nordwest“ (Drehbuch: Holger Karsten Schmidt, Regie: Jochen Alexander Freydank) kann sich im Gegensatz zu diesen Filmen nicht entscheiden, welches Genre bedient werden soll. Für einen Kriminalfilm bleibt es zu lange zu ruhig. Dafür wird lange über die Essstörungen von Kühen sinniert. Für einen Mystery-Thriller fehlt wiederum der Grusel. Da hilft auch eine Nebelmaschine im Dauereinsatz nicht weiter. Und für eine Komödie sind die späteren Ereignisse wiederum unpassend. Denn selbstverständlich gibt es eine Kriminal-Handlung hinter der Legende. Mehmet Ösker, der mit seiner singenden und feuchtfröhlich feiernden Sven-Tour durch den gesamten Film zieht, wäre wohl doch etwas zu wenig gewesen.

„Nord bei Nordwest – Der wilde Sven“, ARD, Donnerstag, 20 Uhr 15

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