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König (Anneke Kim Sarnau, links) und Bukow (Charly Hübner) ermitteln in "Sturm im Kopf" in einem Windkraftwerk.

© ARD

ARD-Sonntagskrimi: Stürmischer "Polizeiruf 110"

Der neue „Polizeiruf“ aus Rostock ist ein sehenswert windiger Krimi: Die Kommissare König und Bukow ermitteln in einem Wind-Offshore-Unternehmen.

Der windige Titel dieses Rostock-Krimis (Buch: Florian Oeller, Regie: Christian von Castelberg) ist eine ziemlich zutreffende Beschreibung über das Grundgefühl in diesem Film. Durch alle Ritzen dieser komplizierten Geschichte pfeift es mächtig. Sturm ist gesät, Sturm wird geerntet. Die Firma, um die es geht und an deren Röhren und Flügeln die Kamera (Martin Farkas) symbolträchtig vorbeigleitet, ist passenderweise ein Wind-Offshore-Unternehmen. Allerdings keine standfeste Schmiede für hoffnungsvolle Energiegewinnung, sondern, wie sich herausstellt, eine windschiefe Konstruktion durch verschwiegene Fehler.

Das Ermittlerpaar König/Bukow (Anneke Kim Sarnau, Charly Hübner), das zur Leiche eines Managers gerufen wird, steht ebenfalls ganz schnell im Wind der Rätsel und sich überschlagenden Ereignisse. Die beiden, das wissen wir aus früheren Filmen der Reihe, sind nicht gerade standfeste Erdenklöße. Stattdessen werden sie von Fahndungsturbulenzen mitgerissen und verzweifeln bei der Suche nach Bösewichtern daran, dass ihr am Orkan gebauter Job ihnen den Atem für alles Private nimmt.

Im Film herrscht ständig Unruhe. Sogar auf der Toilette

„Sturm im Kopf“ ist folgerichtig eine Orgie permanenter Unruhe. Die Diensthandys klingeln ständig. Nicht einmal die Toiletten, auf die der Film seinen Protagonisten gerne folgt, sind stille Örtchen. Sondern lediglich Unterstände für Gefühlsausbrüche, während draußen die Probleme wirbeln.

Das Hauptproblem, mit dem es Bukow und König zu tun bekommen, ist die Amnesie des Tatverdächtigen Max Schwarz (Christian Friedel). Er wurde aufgegriffen, als er durch den Ort irrte und sich selbst des Mordes bezichtigte. Es dauert eine Weile, bis seine Identität geklärt ist: Er hat in der Windfirma als IT-Mann gearbeitet. Er war beim Tod des Managers dabei, er hat Schmauchspuren an den Händen. Er scheint mit dem Auto geflohen zu sein, das man später findet – und in dessen Nähe zwei Millionen Euro. Aber Schwarz schweigt, weil sein Kopf sich an nichts erinnert. Nicht erinnern will. Oder alles doch ein wenig anders war, als sich die Ermittler denken.

Die einfühlsame Katrin König, die sich mit Seelenkunde besser auskennt als Kollege Bukow – kein großes Kunststück übrigens – kann mit der Diagnose der Psychatrie, in die man Schwarz gebracht hat, etwas anfangen: Fugue, ein plötzlicher Identitätsverlust als Folge psychischen Überdrucks. Ein gnädiger Hirnsturm, der die üble Realität verbläst. Für handfestere Gemüter wie Bukow übersetzt: Aus der Festplatte hat sich ein Verbindungskabel gelöst.

Bukow verliert seine Frau, König verzweifelt an ihrer Vergangenheit

Was der Verdächtige aus eigener Kraft nicht kann – ein Stück Leben zu rekonstruieren – muss die Polizei tun. Dabei kommt heraus, dass Max Schwarz ein ziemlich schlimmer Finger gewesen ist, gar nicht so sympathisch schwach, wie er als Patient in der Psychiatrie erscheint. Er ist in der Windfirma einem großen Betrug auf die Spur gekommen, hat die Chefs erpresst, seine Frau (Marie Leuenberger) hinters Licht geführt und wollte sie verlassen, weil sie ihn betrogen hat. Was zur Zwangsabschaltung im Gehirn führte: Böse Pläne werden von noch böseren Menschen zum Scheitern gebracht. Schwarz-Darsteller Friedel, bekannt aus einer Hauptrolle in Michael Hanekes Fim „Das weiße Band“, bewältigt eindrucksvoll die schwierige Aufgabe, einen Menschen im seelischen Gefängnis zu spielen, der sich selbst wie einem Fremden begegnet.

Bukow und König dagegen bleibt keine Flucht ins Vergessen. Die Ermittlungen erinnern die Kommissarin an ihr Versagen beim LKA, als sie das Leben einer Kronzeugin nicht sorgfältig genug geschützt hat. Bukow muss erkennen, dass er seine Frau (Fanny Staffa) endgültig verloren hat. Kein noch so eifersüchtiges Wüten gegen den Nebenbuhler (Josef Heynert) kann sie zurückbringen.

Wenigstens im Auto ist es nicht stürmisch. Da kann Bukow schlafen

Irgendwo in den Weiten der Landschaft um Rostock wirft sich Bukow über die verzweifelte Kollegin König. Sturmverloren scheinen die beiden weggefegt zu werden. Haben die Windmaschinen des Drehbuchs gesiegt?

Nein. Es stürmt, aber es ist nicht alles Glück vom Winde verweht. Ein ironisches Lüftchen gönnt sich der Film zum Finale. Die Polizisten versuchen es mit List. Dann kriecht Bukow zum Schlafen ins Auto. Da herrscht Windstille.

„Polizeiruf 110: Sturm im Kopf“, ARD, 20 Uhr 15

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