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Vorsichtige Annäherung. Tobias Wilke (Heino Ferch) geht mit seiner Tochter Helen (Jannik Schümann) zu einem Treffen mit anderen Transsexuellen.

© ARD Degeto/Britta Krehl

ARD und das Thema Transgender: Im falschen Körper

Heino Ferch und die Möglichkeit, aus Finn Helen zu machen: Die ARD wagt sich an das Thema Transgender und traut sich dennoch wenig.

Diese Verwandlung trifft die Zuschauer genauso unvermittelt wie den Vater: Am Flughafen wartet dieser auf seinen Sohn, „Welcome Home Finn“ steht auf dem blauen T-Shirt des Vaters. Doch am Gepäckband taucht auf einmal ein Mädchen mit langen braunen Haaren, geblümtem Rock und rosa Jäckchen auf. Schüchtern lächelnd besteht es darauf, mit dem Namen „Helen“ angesprochen zu werden. Wenige Minuten zuvor hatte dieses Lächeln noch zu Gymnasiast und Skateboardfan Finn gehört.

Mit dem Film „Mein Sohn Helen“ wagt sich die ARD an das Thema Transgender und das Überschreiten von Geschlechtergrenzen. Schweren Herzens hat Tobias Wilke, verkörpert von Heino Ferch, seinen Sohn Finn (Jannik Schümann) ins Austauschjahr in die USA gehen lassen. Finn, der sich schon immer als Mädchen in einem Jungenkörper fühlte, hat die Zeit genutzt, um seine Gender-Identität endlich offen zu zeigen. Jetzt will er – zunächst gegen den Widerstand seines Vaters – als Helen leben.

Drehbuchautorin Sarah Schnier, der nach eigenen Worten die Authentizität der Geschichte wichtig war, verpasst leider dieses selbst gesteckte Ziel. Zu lehrbuchartig klingen die Sätze, die sie Helen da in den Mund legt, zu bemüht wirkt es, stets genau die richtige Formulierung zu finden. „Ich bin Helen. Finn gibt es nicht mehr. Verkleidet war ich die letzten 16 Jahre“, verkündet Helen da bei der Ankunft am Flughafen. Später sagt sie Sätze wie: „Ich habe so lange gewartet, ,Ich’ zu sagen und damit auch meinen Körper zu meinen.“ Schauspieler Jannik Schümann schafft es kaum, diese Aussagen glaubhaft wirken zu lassen.

„Komplette schauspielerische Herausforderung“

Schümann hatte bereits in der Romanverfilmung „Spieltrieb“ aus dem Jahr 2013 mit Regisseur Gregor Schnitzler zusammengearbeitet – und hier den eiskalten, voyeuristisch veranlagten Dandy Alev verkörpert. Auch aus diversen Krimiserien kennt man ihn. Die Rolle in „Mein Sohn Helen“ bezeichnet Schümann als eine „komplette schauspielerische Herausforderung“.

Der Film kommt über das Erwartbare aber selten hinaus. Vor seinem Outing ist Finn unsicher, er steht zögernd vor der Jungen-Umkleide im Sportunterricht und weint nach dem ersten Sex mit seiner Freundin Jasmin stille Tränen. Schon als Kind sei er total „auf Kleider und Puppen abgefahren“, erinnert er seinen Vater. Der habe ihm das „Weibische“ austreiben wollen. Deshalb fragt Helen die Gäste ihrer Willkommensparty, auf der sie sich zum ersten Mal im Mädchen-Outfit präsentiert: „Habt ihr denn nie geahnt, dass ich transgender bin?“ Bis auf ein verständnisloses „Was für’n Ding?“ kommt da nicht viel zurück.

Obwohl der Film ein im Kern ernstes Thema behandelt, schafft es Regisseur Gregor Schnitzler, in vielen Situationen auch etwas Komik mitschwingen zu lassen. Das gelingt am besten über die Figur des Vaters, der sich teils barsch aber doch liebevoll auf die Veränderung im Leben seines Kindes einstellt.

ARD hat kein fiktionales Neuland betreten

Immer stärker engagiert er sich schließlich dafür, dass sein Sohn auch von anderen akzeptiert wird. Anders als die Wandlung von Finn zu Helen, die im Ausland stattgefunden hatte und ausgeblendet wurde, kann der Zuschauer die Veränderung in Vater Wilkes Verhalten miterleben und nachvollziehen. Heino Ferch, der Ende 2014 im Familiendrama „Wenn es am schönsten ist“ bewiesen hatte, dass er nicht nur harte Kerle spielen kann, überzeugt auch hier.

Mit der Entscheidung, sich mit dem Thema Transgender zu beschäftigen, hat die ARD kein fiktionales Neuland betreten. Seit dem vergangenen Jahr läuft beim Video-on-Demand-Anbieter Amazon Instant Video die Serie „Transparent“, in der sich Familienvater Pfefferman als transsexuell outet. 2014 zeigte RTL 2 die Dokureihe „Transgender – mein Weg in den richtigen Körper“. Und in dem 2014 im Kino angelaufenen deutsch-thailändischen Film „Patong Girl“ verliebt sich der Tourist Felix Schröder in eine Frau, die früher ein Mann war.

In ihrer Annäherung an das schwierige Thema hat die ARD sicher nicht viel falsch gemacht. Der Film ist ein gutes Lehrstück über die Probleme, mit denen sich Transmenschen konfrontiert sehen – seien es die Reaktionen der anderen oder die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Darüber hinaus hat sich der Sender jedoch wenig getraut: „Mein Sohn Helen“ bleibt holzschnittartig und ist – mit Ausnahme von Ferch – wenig authentisch.

„Mein Sohn Helen“, ARD, Freitag 20 Uhr 15

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