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ARD und ZDF: Die Expansion im Netz

Die Printverlage wehren sich gegen die Internetexpansion von ARD und ZDF. Spätestens vor der Etablierung eigener Online-Zeitungen muss die Grenze gezogen werden. Ein Interview mit Hans-Joachim Fuhrmann vom Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger.

Das ZDF und mehr noch die ARD planen eine massive Ausweitung ihrer Angebote beim Digitalfernsehen und im Internet. Ein Beispiel: Die „Tagesschau“ soll von Mitte Juli an über Handy-TV verbreitet werden. Sind die deutschen Zeitungsverleger von diesen Plänen überrascht worden?

Wenn es um Expansion geht, überrascht einen bei ARD und ZDF eigentlich nichts mehr. Allerdings ist bemerkenswert, dass diese Offensive im Gegensatz zu dem steht, was die EU-Kommission von der Bundesregierung und den Verantwortlichen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk erwartet: Nämlich mit transparenten Kontrollmechanismen sicherzustellen, dass private Anbieter im Internet und bei der Entwicklung neuer Dienste auf mobilen Endgeräten nicht benachteiligt werden. Statt einer kritischen Selbstreflexion und einer damit verknüpften Selbstbeschränkung erleben wir jetzt wieder einen Expansionsversuch, der durch nichts legitimiert ist.

Streiten Sie der ARD das Recht auf tagesschau.de und dem ZDF auf heute.de ab?

Keineswegs. ARD und ZDF sollen die neuen technologischen Möglichkeiten des Internets nutzen. Aber es geht doch um die Frage, in welchem Umfang sie dies tun und inwieweit das im Einklang mit ihrem Auftrag steht. Die Ausdehnung der Öffentlich-Rechtlichen kann mit dem Grundversorgungsauftrag jedenfalls nicht begründet werden. Schließlich gibt es im Internet auch ohne ZDF und ARD eine Vielfalt an Qualitätsinhalten. Allein die Zeitungen bieten über 600 Online-Portale mit lokalen wie überregionalen Inhalten. Vor diesem Hintergrund müssen ARD und ZDF die engen Grenzen ihres Auftrags, wie sie der Rundfunkstaatsvertrag vorsieht, respektieren.

Fürs Ganze genommen: Was sollen die öffentlich-rechtlichen Sender im Internet dürfen und was nicht?

Dass die Fernseh- oder Radioangebote auf anderen Displays beziehungsweise Geräten empfangen werden, wenn das Nutzerverhalten sich ändert, dagegen ist ja nichts einzuwenden. Ein Stück Programmbegleitung ist auch akzeptabel; aber es kann nicht sein, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten im Internet jetzt Online-Zeitungen produzieren. Und genau das findet statt – zum Teil sogar mit lokalen und regionalen Inhalten. Es kann auch nicht sein, dass gebührenfinanziert Partnerbörsen eingerichtet und Computerspiele angeboten werden. All dies führt zu einer unhaltbaren Wettbewerbsverzerrung.

Dagegen sein ist das eine, etwas dagegen tun das andere. Was wird der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger konkret unternehmen?

Wir werden bald schon mit den Intendanten von ARD und ZDF zusammenkommen; dabei setzen wir auf die Kraft unserer Argumente. Vor allem aber setzen wir darauf, dass bei den Verantwortlichen die Notwendigkeit erkannt wird, bestehende Regelungen und getroffene Vereinbarungen auch einzuhalten. Wir wollen aus erster Hand hören, wie die Forderungen der EU-Kommission erfüllt werden sollen.

ARD und ZDF scheinen die Politik auf ihrer Seite zu haben. Die Ministerpräsidenten wollen jedenfalls die Klausel aus dem Rundfunkstaatsvertrag streichen, wonach die Gebührenausgaben fürs Internet bisher auf 0,75 Prozent der Etats beschränkt sind. Wen haben eigentlich die Verleger zum Freund und Partner?

Ich denke, hier ziehen die gesamte private Medienwirtschaft und weite Teile der Politik an einem Strang. Es gibt klare Erwartungen der EU-Kommission an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland, und es gibt einen umfassenden Maßnahmenkatalog, der jetzt abgearbeitet werden muss. Alles andere wird in Brüssel nicht akzeptiert werden.

Der ARD-Vorsitzende Fritz Raff wird im „Spiegel“ zitiert. „Es bringt nichts, wenn wir uns gegenseitig bis aufs Messer bekämpfen, da wir doch alle dasselbe wollen: eine Zukunft für den Qualitätsjournalismus im Internet.“ Ist das so, wollen ARD und ZDF, was die Verleger wollen?

Es geht doch nicht darum, sich zu bekämpfen. Jeder muss die Aufgaben erledigen, die ihm zugewiesen sind. Die Zeitungsverlage brauchen vernünftige Rahmenbedingungen, um mit ihren digitalen Angeboten im Markt erfolgreich zu sein. Das ist keine Floskel; es geht um die Zukunft der Zeitungsverlage. Noch einmal: Der Auftrag von ARD und ZDF heißt „Grundversorgung“ und nicht „Wettbewerbsverzerrung“ und auch nicht „Vielfaltsblockade“. Es kann nicht angehen, dass jenen Medien, die mit Qualitätsjournalismus Geld verdienen müssen, durch gebührenfinanzierte Medien die Existenzgrundlage entzogen wird.

Die ARD sieht sich als „Partner der Verlage“, sie will das Gespräch. Über welche Kooperationen könnten sich der BDZV und die Öffentlich-Rechtlichen verständigen?

Natürlich gibt es Partnerschaft. Denken Sie nur an die Kooperationen bei redaktionellen Formaten wie beispielsweise „Presseclub“, Presseschauen im Radio, die Präsenz von Zeitungsjournalisten im Frühstücksfernsehen. Hier ist sicher noch einiges mehr denkbar.

„Online first“ heißt nicht nur beim Axel- Springer-Konzern die Devise der Stunde. Was können sich die Verlage von ihren verstärkten Online-Engagements realistischerweise versprechen?

Bekanntlich findet das Wachstum in der Medienwirtschaft vor allem in den digitalen Märkten statt. Die Nutzerzahlen des Internets wachsen weiter, und es gibt eine enorme Dynamik im Online-Werbemarkt. Darin liegen große Chancen für die Zeitungsverlage, sich mit journalistischen Inhalten, mit neuartigen Serviceangeboten und mit Werbeangeboten zu positionieren.

Die großen Printunternehmen kaufen eine Internetplattform nach der anderen. Wird noch genug ins Produkt „Zeitung“ investiert?

Das eine darf das andere nicht ausschließen. Tatsächlich gibt es eine Online-Offensive in der Zeitungsbranche, an der Verlage aller Größenordnungen teilnehmen. Doch das Kernprodukt wird noch auf sehr lange Zeit die gedruckte Zeitung bleiben. Verlage entwickeln sich zu Multiplattformunternehmen und bieten Nutzern wie Werbekunden jeden gewünschten Kommunikationskanal – Papier, Online, Mobile.

Das Interview führte Joachim Huber.

Hans-Joachim

Fuhrmann ist Leiter Kommunikation und Multimedia beim

Bundesverband

Deutscher Zeitungsverleger (BDZV).

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