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„Das sind amerikanische Informanten, die verdienen es zu sterben.“ Julian Assange hält nichts vom Quellenschutz der etablierten Medien.

© dpa

Arte-Film: Wikileaks-Doku: Geheimnisse und Lügen

"Ruchlos, nuttig, hinterhältig": Eine Dokumentation des TV-Senders Arte beschreibt das zerrüttete Verhältnis von Julian Assange zu seinen Medienpartnern. Was Wahrheit und was Lüge ist, müssen die Zuschauer selbst entscheiden.

Es war einer der Medien-Scoops des Jahres 2010. Die Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlicht zusammen mit dem britischen „Guardian“, der amerikanischen „New York Times“ und dem deutschen „Spiegel“ zehntausende amerikanische Botschaftsdepeschen, viele davon für die Vereinigten Staaten peinlich, manche bringen das Verhältnis Amerikas zu den jeweiligen Ländern erheblich durcheinander. Unter strengster Geheimhaltung hatten die Internetplattform und die Medienhäuser die Veröffentlichung geplant.

Doch ausgerechnet beim „Spiegel“ kommt es zur Panne, wie sich Chefredakteur Georg Mascolo in der Arte-Dokumentation „Wikileaks – Geheimnisse und Lügen“ erinnert. Im Bahnhof von Basel gelangen 140 Hefte vorzeitig in den Verkauf und die Geschichte von dort ins Internet. In der Arte-Doku wird dies die einzig amüsante Anekdote bleiben, dafür ist das Thema doch zu ernst. Bereits in den ersten Minuten wird klar, diese Dokumentation ist anders als die vielen anderen zuvor. Der Dokumentarfilmer Patrick Forbes hat das erste ausführliche Interview mit Julian Assange geführt, seit sich der Wikileaks-Chef in Großbritannien mit einer elektronischen Fußfessel unter Hausarrest befindet. Statt Anzug trägt Assange einen hellbraunen Pullover, unter dem das weiße T-Shirt hervorlugt. „Wie lang sollen die Antworten ausfallen“, fragt Assange. „So lang sie wollen. Das wichtigste an dem Interview sind Sie“, antwortet Forbes.

Für seinen Film „Wikileaks – Geheimnisse und Lügen“ hat Forbes viele Interviews geführt. Neben Assange und Mascolo mit „New York Times“-Chefredakteur Bill Keller und seinem „Guardian“-Amtskollegen Alan Rusbridger. Und mit Daniel Domscheit-Berg, der vor dem Zerwürfnis mit Assange lange Zeit die Nummer zwei bei Wikileaks war. Er erzählt, wie er das anfangs für eine gute Sache hielt, die Menschen darüber zu informieren, was in der Welt los ist. David Leigh, Investigativ-Reporter beim „Guardian“, berichtet vom einnehmenden Charakter des charismatischen Assange.

Beinahe ebenso wichtig wie Assange ist für Forbes das Schicksal Bradley Mannings. Der US-Gefreite sitzt wegen Geheimnisverrat in Haft, er soll Wikileaks mit vertraulichem Material versorgt haben. Ein Freund von Manning berichtet von den Haftbedingungen, vom Schlafentzug. Für Assange kein Thema. Er lässt sich von anderen ethischen Grundsätzen leiten, Quellenschutz hat für ihn, anders als für die etablierten Medien, nicht oberste Priorität. Dass die ungeschwärzte Veröffentlichung der Afghanistan-Dokumente das Leben von US-Soldaten und afghanischen Quellen bedrohen, lässt Assange nicht gelten. „Das sind amerikanische Informanten, die verdienen es zu sterben“, sagt er. „Von da an tat sich ein Abgrund auf zwischen unserer Sicht der Dinge und seiner“, fasst David Leigh den Dissens zusammen.

Forbes beschreibt, wie Julian Assange für seine Medienpartner immer unberechenbarer wird. Bei der Vorbereitung der nächsten großen Veröffentlichung – diesmal geht es um 360.000 Militärberichte aus dem Irak – bietet Assange die Unterlagen ohne Absprache mit seinen bisherigen Partnern drei weiteren Medien an. Für „Guardian“-Mann Nick Davies „unfassbar“. Assange schlägt zurück: „Der britische Journalismus ist die ruchloseste, nuttigste, hinterhältigste Industrie, die mir je begegnet ist.“ Davies hält dagegen: „Assange glaubt an die Dinge, die er ausspricht, in dem Moment, in dem er sie ausspricht. Das ist so wie bei den beiden Frauen aus Schweden. Wenn er das als schmutzige Tricks des Pentagon bezeichnet, dann glaubt er auch daran.“

An Offenheit lassen die Statements wenig vermissen. Was Wahrheit und was Lüge ist, müssen die Zuschauer selbst entscheiden. „Wikileaks – Geheimnisse und Lügen“. Arte, 21 Uhr 50

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