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Medien: Auf Kosten anderer

Chiracs Traum von einem französischen CNN nimmt Gestalt an. Arte soll darunter leiden

Von S. Heimgärtner,

Paris

Der Medientraum von Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac ist seiner Realisierung ein gutes Stück näher gekommen. Das Projekt eines französischen Auslandsfernsehens à la CNN dürfte bis zu seinem Start in der zweiten Jahreshälfte 2004 aber noch viel Ärger bringen. „Chaine française d’information internationale“ (CFII) lautet der Name für die neue Fernsehstation. Sie ist ein Gemeinschaftsprojekt des Privatsenders TF1 mit der öffentlich- rechtlichen Senderkette France Télévisions unter Einschluss der französischen Nachrichtenagentur AFP. Seitdem der Entwurf für CFII vor wenigen Tagen vorgestellt wurde, hagelt es mehr Kritik als Lob. Einerseits, weil sich die zahlreichen Mitbewerber ausgeschlossen fühlen. Andererseits, weil die Regierung, die das Mammutvorhaben finanzieren will, offenbar plant, die Medienlandschaft Frankreichs teilweise neu zu ordnen – insbesondere hinsichtlich der Auslandsaktivitäten staatlich mitfinanzierter Sender wie die deutsch-französische TV-Kooperation Arte.

CFII soll ein nach dem Vorbild von CNN und BBC gestrickter internationaler Sender aus Frankreich sein. Die Idee dazu stammt aus der Zeit des Irak-Kriegs. Chirac wetterte damals, Frankreich wolle nicht mehr länger zusehen, wie die wenigen großen, weltweit ausstrahlenden Fernsehanstalten konkurrenzlos von Millionen Zuschauern profitierten und damit nicht nur Kasse machten, sondern auch Meinungen beeinflussten. Schlüsselereignis war der Beifall für den Friedensappell des französischen Außenministers Dominique de Villepin vor dem UN-Sicherheitsrat im Februar. Die Szene wurde von den US-F ernsehsendern geschickt weggeschnitten und in den Programmen nicht gezeigt.

Weitere mediale „Demütigungen“ Frankreichs machte die Zeitung „Le Figaro“ aus: Unausgewogen und bewusst einseitig werde in den US-Medien kontinuierlich ein negatives Frankreichbild verbreitet. Beispiel CNN Europa: Während des Irak-Kriegs sei den Zuschauern mit Hilfe manipulierter Montagen von den wenigen Transparenten, die US-Präsident Bush als Hitler darstellten, vorgegaukelt worden, dies sei die vorherrschende Meinung der Teilnehmer von Friedensdemonstrationen in Paris. „Quasi das Bild von Frankreich 1940, das mit Nazi-Deutschland paktiert und zusätzlich auch mit Terroristen gemeinsame Sache macht“, beschrieb der prominente Journalist Emmanuel Schwartzenberg den neuen Unterton in der amerikanischen TV-Berichterstattung.

Mit dem ersten Entwurf für ein French CNN hat Frankreich den trügerischen US-Bildern nun also den Kampf angesagt. Konkret ist bislang nur wenig: Ausgestrahlt werden soll in den Sprachen französisch, englisch, arabisch und spanisch, als Hauptsendegebiete sind Europa, der Mittlere und der Nahe Osten vorgesehen. Nach einer Startphase von drei bis fünf Jahren will man weitere Regionen, vor allem Asien und den amerikanischen Kontinent erreichen. Großen Wert legen die Gründungsväter des Senders auf dessen Unabhängigkeit, die dadurch erreicht werden soll, dass weder der Privatsender TF1, noch der öffentlich- rechtliche Kanal France Télévisions „direkt verantwortlich“ zeichnen, sondern ein unabhängiges, neu zu gründendes Aufsichtsgremium über einem von außen bestellten Sendedirektor und einem Team von 150 bis 200 Journalisten.

Kritiker fragen sich: Wie soll die journalistische Unabhängigkeit garantiert sein, wenn der neue Sender zu hundert Prozent vom Staat finanziert wird? Eine schlüssige Antwort hat bislang niemand. „Das stinkt zum Himmel“, entrüstete sich Claude Saulnier von der nicht-staatlichen Medienzentrale in Paris. „Ganz klar, der Sender ist voll und ganz als verlängerter Arm des Außenministeriums konzipiert, das will bislang nur niemand öffentlich zugeben.“ Ebenso auf Unmut stößt die Tatsache, dass das Programm des neuen Senders in Frankreich überhaupt nicht ausgestrahlt werden soll, die französischen Steuerzahler aber zur Kasse gebeten werden. Denn die Fernsehgebühren sollen um mindestens einen Euro pro Haushalt erhöht werden.

Dennoch ist unklar, wie das teure Prestigeprojekt angesichts des Haushaltsdefizits finanziert werden soll. Die Gesamtkosten werden auf rund 70 Millionen Euro beziffert, dazu kommen Startkosten von etwa 100 Millionen Euro. Auch da haben die Gründer eine Antwort parat, die allerdings etliche Fernsehanstalten, die von dem Projekt ausgeschlossen sind, in Rage bringt.

Rund 15 Millionen Euro, heißt es in dem von der Regierung abgesegneten Projektentwurf des konservativen Abgeordneten Bernard Brochand, sollen bei den französischen Medienaktivitäten außerhalb des Landes eingespart werden: bei TV5, ein frankophones Programm überwiegend für Kanada, bei RFO, dem Kanal für die französischen Überseegebiete, und nicht zuletzt bei Arte, das von ARD und ZDF mitfinanziert wird. Die empörte Reaktion von Arte-Präsident Jerome Clément ließ nicht lange auf sich warten: „Diese Idee hat weder Hand noch Fuß, wir können ja schlecht zu den Deutschen gehen und sagen, dass wir ab jetzt kein französisch-deutsches Nachrichtenprogramm mehr machen, weil es das französische CNN gibt.“ Er verwies auf den internationalen Charakter der Arte-Verträge und fügte hinzu: „Unser Redaktionsstatut und unsere Programme sind nicht von den Plänen eines Monsieur Brochand abhängig.“ Der Ärger über Jacques Chiracs Medientraum ist vorprogrammiert.

S. Heimgärtner[Paris]

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