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Aldenhoven

© ZDF

''Augenzeugin'': Mord ohne Leiche

Der ZDF-Film "Augenzeugin" lehnt sich an Hitchcocks "Fenster zum Hof" an. Und er lässt frösteln - nichts darin strahlt Wärme aus.

Wenn sich die junge Marie Aldenhoven (Rike Schmid) durch ihre Welt bewegt, dann scheint dies eine sehr kalte, eine sehr strenge, eine sehr verhärtete Welt zu sein. Eine gläserne zumal. Denn die Räume und Gänge, durch die sich die kühle blonde Bankiersgattin bewegt, sie zeigen zumeist sterile Interieurs, in denen überdimensionale Glasscheiben die Wände ersetzen. So kann man sich sehen, aber doch nicht erreichen, kann sich beobachten, aber doch nicht spüren. Es sind dies Orte, unpersönlich und leer. Orte der Fremde, der Gesichtslosigkeit. Marie Aldenhoven hat es sich hier zurechtgemacht, sie hat den älteren Bankier Alexander Kant (Herbert Knaup) geheiratet und führt mit ihm die Geschäfte der Berliner Privatbank Aldenhoven & Kant.

Als Marie eines Abends, es ist schon dunkel und sie sitzt noch im Büro, durch die Scheiben im Gebäudetrakt gegenüber zwei Personen schemenhaft sieht, wie sie miteinander streiten, wie eine Frau zu Boden geht, da meint sie, einen Mord beobachtet zu haben. Doch es finden sich keinerlei Spuren, kein Körper – nichts. Auch Tom (Benjamin Sadler), für den Sicherheitsdienst der Bank zuständig, und außerdem Maries heimliche Affäre, findet nichts. Alles nur ein Hirngespinst? Oder hat sie hinter all diesen Gläsern und Scheiben etwas gesehen, was sie partout nicht hätte sehen dürfen? Denn fortan verhalten sich die Menschen in ihrer Umgebung auf ungewohnte Weise, kann sie niemandem mehr vertrauen, weder ihrem Mann Alexander, noch Tom, der früher einmal bei der Polizei war und um Maries ominöse Familiengeschichte weiß.

Der ZDF-Thriller „Augenzeugin“ wurde von Regisseur Marcus O. Rosenmüller („Sperling“) inszeniert, das Drehbuch stammt von Katharina Hajos und Constanze Fischer. Es ist ein Film, der einen frösteln lässt, ein Drama der Unwirtlichkeit, über Menschen an Orten, die keinerlei Wärme ausstrahlen. Die Kamera von Stefan Spreer fängt diese aseptisch-sterilen Räume adäquat ein. Hauptdarstellerin Rike Schmid, 1979 in Hannover geboren, bekannt aus der ZDF-Serie „Der Fürst und das Mädchen“, in der sie an der Seite von Schauspiel-Legende Maximilian Schell zu sehen ist, sie benennt explizit die unterkühlten Frauen aus den Filmen Alfred Hitchcocks als ihre Vorbilder: Eine Grace Kelly etwa in „Das Fenster zum Hof“ oder Kim Novak in „Vertigo“: „Ich war immer schon fasziniert von den Frauenfiguren in Hitchcock-Filmen. Grace Kelly, Kim Novak, Ingrid Bergman – kühle, kluge Frauen, die so mystisch sind, ein Geheimnis haben, hinter das man kommen möchte. Sie verkörpern für mich den Inbegriff von Stil und Grazie, vom Regisseur meisterhaft in Szene gesetzt.“

Alles im Leben von Marie Aldenhoven ist funktional, ist praktisch, nichts ist emotional, ist sinnlich. Gefühle, wahrhaftige gar, haben hier keinen Platz. Nicht aussprechen, was man denkt. Nicht zeigen, was man fühlt. Keine vermeintlichen Schwächen zeigen. Es ist ein Leben ohne einander, in artifizieller Distanz, nicht miteinander, in wirklicher Nähe.

Hitchcock-Frauen sind unnahbare Frauen. Klassisch-stilvoll und ambivalent-unverlässlich, abgründig auch: Und so spielt Rike Schmid fernab vom gefällig seichten Fürsten-Mädchen diese Marie Aldenhoven, die unwissend ihrem eigenen Familiengeheimnis auf der Spur ist, nichts und niemandem mehr vertrauen kann, sich auf keinen Menschen wirklich einlässt, letzten Endes allein ist. Sie lebt hinter Glas, unter dem Eis. In Distanz zu allen und allem. „Augenzeugin“ ist ein Film über die Erkaltung und Verhärtung, in der Menschen dauerhaft zu leben fähig sind – oder eben am Ende nur noch zum Überleben. Und, sie spüren es nicht einmal. Das ist das traurig Berührende an diesem eigentlich so unberührenden Kälte-Distanz-Psychodrama.

„Augenzeugin“, ZDF, 20 Uhr 15

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