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Medien: Aus Reinfällen lernen

Der Bundeskanzler bei der Journalistenvereinigung „netzwerk recherche“ – über sich, die Medien und die Krise

Zuletzt hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder im Konferenzzentrum des Norddeutschen Rundfunks in Hamburg-Lokstedt für die dort versammelten rund 500 Medienmenschen aus der ganzen Republik noch eine gute Botschaft parat. Ihm bereiteten die wirtschaftlichen Schwierigkeiten vieler Presseunternehmen „riesige Sorgen“. Man werde „ jetzt darüber reden müssen , wie die politischen Rahmenbedingungen gestaltet werden müssten, um das wirtschaftliche Überleben der Unternehmen zu gewährleisten“. Schröder hofft, dass es „möglichst schnell“ zu entsprechenden Gesprächen kommt, „nicht nur mit den Verlegern allein, sondern auch mit den Journalisten“. Bei der Zeitungskrise handele sich vor allem um ein strukturelles Problem, es könne in dem einen oder anderen Fall allerdings auch Missmanagement hinzukommen. Subventionstöpfe könnten dafür aber nicht aufgemacht werden, „das wollen diejenigen, die unter den Problemen leiden, aus Gründen der Unabhängigkeit auch nicht“.

Gerhard Schröder war an diesem Sonnabend vormittag zum Jahrestreffen beim „netzwerk recherche“ geladen, das sich nach eigenem Bekunden als Lobby für investigativen Journalismus versteht. Es fand in diesem Jahr zum zweiten Mal beim NDR statt und wurde dort von der „Panorama“-Redaktion organisiert. Das Thema des Treffens: „Die Wahrheit als Kollateralschaden – Wohin treibt der Journalismus ?.“ Schröder, in jüngster Zeit nicht nur von politischen Problemen, sondern wiederholt auch von Berichten über sein Privatleben gebeutelt, wurde von den Journalisten Jürgen Leinemann („Spiegel“) und Michael Jürgs zu seinen Beziehungen zu den Medien befragt.

Dabei präsentierte sich ein gelassener Bundeskanzler, der die Plauderei auf dem Podium nach den harten Auseinandersetzungen mit den eigenen Genossen um die Agenda 2010 offenkundig genoss. Dass Schröder mit den meisten Medien gut kann, dass er vor allem bei den Fernsehzuschauern in der Vergangenheit gut angekommen ist, das ist bekannt. Dass man ihn einen „Medienkanzler“ nennt, findet Schröder nicht ungebührlich, wundert sich allerdings, warum das Wort ausgerechnet in den Medien mit negativem Unterton gebraucht wird. Politik und Medien seien nach Schröders Worten aufeinander angewiesen. Aber die Vertraulichkeit habe in der Regel Grenzen. Man sei sehr viel unbefangener mit der Öffentlichkeit , wenn man Vorsitzender der Jusos ist oder Leiter eines Arbeitskreises. Das habe mit dem Amt zu tun. Und man mache seine Erfahrungen, so Schröder. „Aus Reinfällen lernt man eine Menge , das kann ich sagen.“

Eine Aussage Schröders überraschte die Journalisten – angesichts der praktischen Politik des Kanzlers. Den Versuch, Journalisten für bestimmte politische Ziele zu instrumentalisieren, hält Gerhard Schröder für falsch, weil es sich letztlich gegen den Politiker richte. Immer stärker ist das Privatleben Schröders in die Medien geraten. Der Kanzler machte dafür in erster Linie die zunehmende Konkurrenz der Medien untereinander verantwortlich. Wer zulasse, dass sein Privatleben für Journalisten freigegeben wird, der dürfe sich hinterher über die Folgen nicht wundern. Auch da habe er gelernt. Er sagte aber auch, wer hohe öffentliche Ämter innehabe, der müsse akzeptieren, dass nicht nur über den Beruf berichtet werde.

Abschließend stellte der Bundeskanzler politische Maßnahmen in Aussicht, um das Überleben mittlerer und kleinerer Zeitungsverlage zu sichern. „Wir werden zu Gesprächen mit Verlegern und Journalisten einladen, um Fragen nach einer Änderung der politischen Rahmenbedingungen zu klären.“ Unter anderem könne auch das Kartellrecht auf den Prüfstand kommen. Unabhängig von der politischen Ausrichtung bestehe ein großes öffentliches Interesse daran, das Überleben der zahlreichen Lokalzeitungen sicherzustellen. „Das ist eine Gemeinwohl-Frage, die dringend auf die Tagesordnung gehört.“

Karsten Plog[Hamburg]

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