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Ausland: „Le Monde“ in der Krise

Frankreichs Prestigezeitung kämpft ums Überleben. 130 von 600 Stellen sollen gestrichen werden. Das hat einen Proteststurm der Belegschaft ausgelöst.

Erst traf es „Libération“, dann „Le Figaro“, jetzt ist „Le Monde“ dran. Wie die linksliberale Pariser Gazette, die vor zwei Jahren vorm Zusammenbruch stand, und das Hausblatt der französischen Konservativen, das vergangenes Jahr am Abgrund stand, muss nun auch Frankreichs Weltblatt der Krise auf dem Pressemarkt Tribut zollen. Nach einem vom neuen Verlagsdirektor, Herausgeber und Chefredakteur Eric Fottorino vorgelegten Sanierungsplan sollen 130 von 600 Stellen wegfallen, davon 90 in der Redaktion, die damit um ein Viertel verkleinert würde. Anders als bei früheren Sozialplänen soll der Personalabbau nicht allein durch freiwilliges Ausscheiden erreicht werden, sondern auch durch Kündigungen. Das hat einen Proteststurm der Belegschaft ausgelöst, der zu Beginn dieser Woche im Ausstand mündete. Wegen einer Vollversammlung des Personals erschien in Frankreich am Montag keine „Le Monde“. Es war der erste Streik in der Geschichte des 1944 gegründeten Prestigeblatts, wenn man von einer Arbeitsniederlegung absieht, mit der die „Le Monde“-Mitarbeiter 1976 gegen die Übernahme des Boulevardblatts „France-Soir“ durch den als „französischen Springer“ angesehenen Großverleger Robert Hersant protestierten.

Mit einem so drastischen Stellenabbau verliere die Redaktion ihre Substanz, sagte der Journalist Michel Delberghe. Die Zeitung werde nicht mehr dieselbe sein. Bei vier Enthaltungen ohne Gegenstimme erklärte die Vollversammlung ihr Nein zu Entlassungen und forderte einen neuen Sparplan. Dem hat Herausgeber Fottorino entgegengehalten, die Zeitung werde auch dann immer noch mehr Mitarbeiter als 1995 zählen, als sie zehn Seiten umfangreicher war. Er erklärte sich zwar gesprächsbereit, lehnte aber eine Verminderung des Stellenabbaus ab. Einen Kommentar aus Fottorinos Feder zu dem Konflikt suchten die Leser nach dem Wiedererscheinen der Zeitung am Dienstag vergeblich.

Fottorino, der kurze Zeit im Amt ist, hat vom Vorgänger Jean-Marie Colombani eine schwere Last geerbt. Die Zeitung schreibt seit sieben Jahren Verluste. Die Schulden belaufen sich auf 160 Millionen Euro. Um spätestens in zwei Jahren wieder ein ausgeglichenes Ergebnis vorzulegen, will Fottorino eine Reihe von Zeitschriften wieder verkaufen, die sein Vorgänger akquiriert hatte, um den Verlag zu einer schlagkräftigen Mediengruppe auszubauen. Beide Seiten stehen sich unnachgiebig gegenüber. Eine neue Verhandlungsrunde am Dienstag brachte keine Fortschritte. Sollten die Mitarbeiter ihren Beschluss wahr machen und sich am Mittwoch zu einer Vollversammlung einfinden, wird die Welt ein weiteres Mal ohne „Le Monde“ auskommen müssen. Hans-Hagen Bremer, Paris

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