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von Blumencron

© imago/Hoffmann

Aust-Nachfolge: "Spiegel" bekommt zwei Chefredakteure

Die Frage, wer Nachfolger von "Spiegel"-Chefredakteur Stefan Aust wird, ist beantwortet: Es werden zwei. Deutschlands wichtigstes Nachrichtenmagazin bekommt eine Doppelspitze aus dem eigenen Haus. Die Mitarbeiter hatten sich die zwei Neuen gewünscht.

Kleine Lösung? Große Lösung? Eine Hauslösung! Georg Mascolo (43) und Mathias Müller von Blumencron ( 47) sollen von Stefan Aust (61) die Chefredaktion des „Spiegel“ übernehmen. Mascolo leitet derzeit noch das Hauptstadtbüro des Nachrichtenmagazins, Müller von Blumencron ist Chef von Spiegel Online. Die präferierte Idee zur künftigen Doppelspitze kommt aus der Mitarbeiter KG, die 50,5 Prozent am Spiegel-Verlag hält und für die Realisierung eines jeden Vorschlags jene 25,5 Prozent Zustimmung braucht, mit der Gruner + Jahr beim Spiegel engagiert ist. G+J-Chef Bernd Kundrun ist noch im Urlaub, trotzdem wird an seinem Ja im Verlagshaus an der Brandstwiete nicht gezweifelt.

Warum auch soll Kundrun gegen die Lösung votieren, sagen Mitarbeiter, mit Blumencron wird der erklärte G+J-Kandidat durchs Ziel gehen. Blumencron als alleiniger „Spiegel“-Chef, das wäre diesem Anteilseigner und dem „Spiegel“-Verlagsleiter Mario Frank (ein G+J-Mann), noch lieber gewesen, aber ein halber Sieg wiegt immer noch mehr als eine herbe Niederlage. Bei Gruner + Jahr denken sie über Zukunft in Online nach, später als andere Medienhäuser, dafür aber mit umso größerer Intensität. Bei diesem Nachdenken bleibt der „Spiegel“ nicht außen vor.

„Online first“ bei Deutschlands größtem Nachrichtenmagazin? Alle Recherche, alle News erst mal bei Spiegel Online und erst dann im gedruckten „Spiegel“? So werde es nicht kommen, heißt es in Hamburg. Das gedruckte Heft ist die Herzkammer des Verlags, 2007 war ein Rekordjahr, der „Spiegel“ hat Spiegel online über Jahre subventioniert, bis endlich die schwarze Null erreicht war. Blumencron wird in dem Moment, in dem er „Spiegel“-Chefredakteur wird, seine operative Führungsposition bei Spiegel Online aufgeben müssen – nach Lage der angekündigten Dinge werden Mascolo und er als Herausgeber für den Onlineauftritt fungieren. Die grundsätzliche Ordnung bliebe bei aller losen bis engen Verzahnung von Print und Online erhalten: Vorneweg der „Spiegel“, die „Cash Cow“, und dann die Kälber.

Eine Doppelspitze ist in der Geschichte des Blattes nichts Neues. Von 1973 bis 1986 führten Erich Böhme und Johannes K. Engel den „Spiegel“, von 1986 bis 1989 Böhme und Werner Funk, von 1989 bis 1994 Wolfgang Kaden und Hans Werner Kilz.

Erwartet wird, dass Mascolo und Blumencron als Doppelspitze gut funktionieren. Beiden wird das Prädikat „Macher“ zugeschrieben (das Prädikat „Chefdenker“ fällt nicht), zudem gelten sie als integrative wie motivierende, als fordernde wie fördernde Chefs. Da setzt auch die Kritik in den „Spiegel“-Reihen an. Die Lösung wird nicht als die mutigste angesehen; manche hätten erwartet, dass sich die Mitarbeiter KG an die eigene Vorgabe gehalten hätte, selbst nach der Absage von ZDF-Anchorman Claus Kleber weiter außerhalb des „Spiegel“ nach einem Aust-Nachfolger zu suchen.

Seit 2000 ist der gelernte Jurist Blumencron Chefredakteur von Spiegel Online, zuvor arbeitete er als USA-Korrespondent des „Spiegel“ und Redakteur von „Capital“ und „Wirtschaftswoche“. Er hat Spiegel Online zum Marktführer bei den journalistischen Plattformen gemacht – auch, weil er selbst politische Nachrichten „boulevardesk“ verkaufen lässt. Im Haus an der Brandstwiete wurde bislang von einigen Seiten jedoch auch mokiert, dass Blumencron politisch nicht ausreichend versiert sei, um ein Blatt wie den „Spiegel“ zu führen. Genau diese Schwachstelle soll vermutlich Mascolo ausgleichen. Zwar könne er nicht brillant schreiben, heißt es, aber seine Recherche sei exzellent, der investigative Journalist aus der Schule von Hans Leyendecker habe einen Riecher für Enthüllungen. Für Mascolo würde der Aufstieg an die „Spiegel“-Spitze einen weiteren Karriereschritt innerhalb kürzester Zeit bedeuten. Erst im Juli des vergangenen Jahres war der Washington-Korrespondent nach Deutschland zurückgekehrt, um im Hauptstadtbüro zusammen mit Dirk Kurbjuweit die Nachfolge von Gabor Steingart anzutreten.

Georg Mascolo hat schnell die im Berliner Büro als vergiftet geltende Atmosphäre verbessert. So lud er die Mitarbeiter zur Klausurtagung nach Neu-Hardenberg ein; dort wurde geredet, Fußball gespielt, sich ausgetauscht. Jetzt sprechen Redakteure wieder miteinander, die sich vorher argwöhnisch beäugt hatten. Mascolo wird aber nicht nur hervorragende Teamfähigkeit nachgesagt. Blumencron und er kennen sich seit vielen Jahren, sollen sogar miteinander befreundet sein. Und sich gegenseitig vertrauen.

Und Stefan Aust? Der geht, sobald die neuen Chefredakteure kommen, wahrscheinlich Anfang Februar. Austs Vertrag läuft bis Ende 2008, das ausstehende Gehalt und Tantiemen werden bezahlt. Ein Streitpunkt könnte ein weiterer geldwerter Vertragspassus in Millionenhöhe werden. Der Aust-Anwalt Matthias Prinz steht für Frieden und Streit bereit.

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