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Medien: Balla, balla

„Wir Weltmeister“: Guido Knopp verquirlt Fußball, Liebe und deutsche Teilung

Alles beginnt 1954 mit Helmut Rahn. Max und Anna, zwei Kinder in einem Dorf in Mecklenburg-Vorpommern, haben sich gerade das erste Mal geküsst. Er ist fußballverrückt, sie fußballgeschädigt. Denn Max donnert ihr, den siegbringenden Rahn-Schuss im Berner WM-Finale nachahmend, den Ball an den Kopf. Es ist der Beginn einer seltsamen Liebesgeschichte und eines seltsamen Films.

Mitten ins mediale Getümmel vor der Fußball-WM werfen sich auch Regisseur und Autor Sebastian Dehnhardt sowie der ZDF-Zeithistoriker Guido Knopp. Dem deutschen Lieblingssport haben sie sich schon in der Dokumentation „Das Wunder von Bern – die wahre Geschichte“ gewidmet. Diesmal verdribbeln sie sich mit einem krude gemixten „Fußball-Märchen“: In „Wir Weltmeister“ schmücken sie die deutsche WM-Geschichte mit einer parallelen Filmhandlung aus, die nicht ernst genommen werden will, aber leider weder originell noch komisch ist. Co-Autor Knopp konnte immerhin selbst erlebte Anekdoten einschleusen: „Eine Hochzeit, bei der alle männlichen Gäste nach und nach in die Küche zum Fußballgucken ausbüxten, und die Bemerkung eines italienischen Gastwirts nach dem WM-Halbfinale 1970: „Spaghetti 4 – Kartoffel 3“. Dies ist der humoristische Höhepunkt des Films.

Die Wege von Max und Anna trennen sich erst einmal, weil Max’ Vater von Annas Vater angezeigt wird. Er hatte die dritte Strophe der Nationalhymne angestimmt. „Das war natürlich dumm, denn wir befanden uns ja in der DDR“, erinnert sich der erwachsene Max aus dem Off. Handelt es sich hier etwa um eine raffiniert versteckte Kritik auch an der Bundesrepublik, weil es dort 1954 weniger anrüchig war, das von den Nazis geschmetterte „Deutschland, Deutschland über alles“ zu singen? Eher nicht, so tief mag der Film nicht in die Zeitgeschichte eindringen.

Stattdessen feiern Dehnhardt und Knopp ein fröhliches Requisitenfest und betreiben bis zur WM 1990 reine Kulissenschieberei: So sitzt Max (Jens Atzorn) bei den Weltmeisterschaften 1966 und 1970 mit Hippiefrisur im Westen vor dem Fernseher. Anna (Aline Hochscheid) langweilt sich im biederen DDR-Kleid neben ihrem NVA-Offizier, der den Engländern die Daumen drückt. 1973 reist Max zu den Weltjugendspielen nach Ost-Berlin und trifft Anna zufällig wieder. Man verliebt sich – und prompt wird Deutschland Weltmeister. Fortan ist Max überzeugt, dass die deutschen Kicker nur gewinnen können, wenn Anna und er ein glückliches Paar sind.

Die Idee trägt mühsam durch den 90-minütigen Film, dessen Humor sich in der uralten Stammtischthese erschöpft, dass Männer nur Fußball im Kopf haben und Frauen davon nichts verstehen. Wenn dieser Nonsens wenigstens konsequent durchgezogen worden wäre! Aber die Dokumentaristen Dehnhardt und Knopp wollen ihrer fiktiven Spielerei einen realistischen Anstrich verpassen und lassen Max und Anna wie echte Zeitzeugen vor die Kamera treten und hölzerne Drehbuchtexte aufsagen. Die Verschränkung von fiktionaler und dokumentarischer Arbeit gelingt auf liebenswürdige Weise allenfalls in der Schlusspointe, in der zwei ungarische Vizeweltmeister von 1954 plötzlich Teil der Spielhandlung sind. Abwehrspieler Jenö Buzanszky erhält im deutschen Fernsehen die schöne Gelegenheit, einen von Herzen kommenden Satz zu sagen: „Rache für Bern!“

Unterhaltsam wird es ansonsten vor allem dann, wenn der Ball rollt. Einige hübsche Archivaufnahmen sind zu sehen, darunter Szenen (in Farbe!) vom WM-Finale 1966. An die jeweiligen Turnierhöhepunkte bis einschließlich 1990 erinnert sich außerdem die Fußballprominenz von Franz Beckenbauer bis Jürgen Klinsmann. Bemerkenswerte Statements sind darunter, etwa Toni Schumachers volkstümlich klares Bekenntnis zum WM-Finale 1986: „Ich habe gehalten wie ein Arsch. Deshalb sind wir nicht Weltmeister geworden.“ Unschlagbar ist allerdings die teutonische Fußballpoesie des Berti Vogts: „Du darfst nie eine deutsche Mannschaft reizen“, sagt er im Gedenken an holländische Überheblichkeit im WM-Finale 1974. Hier liegt ein Dilemma von Fußballfilmen: Die Realsatire ist schwer zu überbieten.

„Wir Weltmeister“, 20 Uhr 15, ZDF

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