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Vorm Abgang. Am Donnerstag wird Reinhold Beckmann zum letzten Mal „Beckmann“ moderieren. Er wird für die ARD weiterarbeiten, so in der „Sportschau“, neue Projekte sind in Planung. Als Musiker hat sich Beckmann ein zweites Standbein geschaffen.

© NDR/Morris Mac Matzen

"Beckmann" im Finale: Hört der Richtige auf?

Erst verkrampft, dann befreit: Nach 15 Jahren beendet Reinhold Beckmann seine ARD-Talkshow. Eine gute Entscheidung? Und sollten vielleicht viel mehr Leute einfach mal aufhören?

Reputationsgewinn durch Verzicht. Reinhold Beckmann hat vorgemacht, wie so etwas geht. Als klar war, dass die Talkshow-Schwemme im Ersten mindestens ein Opfer fordern würde, zog er freiwillig die Reißleine. Neue Projekte werde er mit dem NDR verhandeln, verkündete er und gab im Gegenzug frühzeitig das Ende seiner Gesprächsrunde bekannt. Er konnte dies tun, weil er Realist ist. Ihn hätte es ohnehin getroffen. Denn letztlich würde die Quote den Ausschlag geben – allen Beteuerungen der ARD-Programmmanager zum Trotz, sie würden das Talk-Angebot nach qualitativen Gesichtspunkten ausdünnen.

Im Vergleich zu Plasberg, Maischberger, Will und Jauch hat Beckmann den geringsten Zuschauerzuspruch. Das Genick gebrochen hat ihm die Verlegung des Sendeplatzes. Für Fernsehlaien ist das schwer zu verstehen, aber über Erfolg oder Misserfolg einer Sendung entscheidet oft deren Programmplatz. Am Montagabend war der eher ruhige Talk „Beckmann“, der selten die ganz große Nähe zur aktuellen Politik suchte, schon auf dem Weg, sich als eine Art Nachfolger von Alfred Bioleks Salon zu etablieren. Am späten Donnerstag – hierhin wurde die Sendung vom September 2011 an verlegt – verlor „Beckmann“ Zuschauer, erzielte kaum noch zweistellige Marktanteile, wurde zerrieben zwischen „Maybrit Illner“ und „Markus Lanz“ bei der ZDF-Konkurrenz. Oft wirkte der Sendungsbeginn nach den ARD-„Tagesthemen“ wie ein Übergang ins Spartenprogramm.

Am 25. September verabschiedet sich „Beckmann“. Nachts gibt es um 0 Uhr 20 noch zweistündige „Highlights“, dann ist endgültig Schluss. Die kompetente Redaktion wird aufgelöst.

Die Besonderheit gelungener „Beckmann“-Folgen

Das ist schade, denn dieser Talk hob sich am stärksten von der handelsüblichen Bewirtschaftung der Naheliegenschaften ab. Sahra Wagenknecht gegen Olaf Henkel; von der Leyen versus Gysi, Bosbach und Oppermann, Alice Schwarzer und dann noch Heiner Geißler – so einfach machte es sich die Redaktion nie. „Beckmann“ hat das Pech, dass Außerordentliches oft besonders wenig wahrgenommen wird. Am 11. September fiel die Sendung wegen der Nachrufe auf „Blacky“ Fuchsberger besonders tief in die Nacht. Folglich sahen besonders wenige zu, aber es war die mit Abstand informativste Sendung im gesamten deutschen Fernsehen zum Thema Ebola.

Jetzt, wo alles endet, werden stolze Bilanzen gemeldet: 624 Sendungen gab es, je sechs Mal waren Angela Merkel und Helmut Schmidt zu Gast, es gab Specials mit Gerhard Schröder, Königin Silvia und dem Dalai Lama.

Aber das machte nicht die Besonderheit gelungener „Beckmann“-Folgen aus. Es waren Begegnungen wie die von Thomas Gottschalk mit dem Theologen Hans Küng und der Mut zu ungewöhnlichen Themen und Gästen wie Murat Kurnaz oder Gustl Mollath. Oft entstand aber auch dabei das eigentlich Bemerkenswerte eher am Rande. So sorgte mehr als Mollath selbst die Psychiaterin Hanna Ziegert mit ihren kritischen Bemerkungen zum Gutachterwesen vor Gericht für Aufsehen. Früh schon holte Reinhold Beckmann Eltern deutscher Dschihadisten in sein Studio und dazu dann bemerkenswert profunde diskutierende junge Gäste wie den Forscher Martin Schäuble oder die Journalistin Souad Mekhennet. Zuletzt, als er es gar nicht mehr nötig hatte, auf die Quote zu schielen, besprach er sogar den „vergessenen Krieg in Syrien“ statt mit den üblichen Fernsehnasen mit echten Kennern.

Wenn es im Fernsehen ein Forum für den jüngst verstorbenen „FAZ“-Intellektuellen Frank Schirrmacher gab, dann war es „Beckmann“. Hier verhandelte er sein Werk zur alternden Gesellschaft ebenso wie seine Sorgen über die Enteignung der Subjektivität in der digitalen Zukunft. Schreibend tat er dies alarmistisch, bei „Beckmann“, wo ihm auch Vizekanzler Sigmar Gabriel weitgehend nur zuhörte, wirkte Schirrmacher stets so, als wolle er vor allem den Laien-Zuschauern geduldig seine Weltsicht erklären.

Mit gewollter Lässigkeit

Vielleicht fand Reinhold Beckmann auch deswegen einigen Gefallen an Frank Schirrmacher, weil er selber nie ein TV-Intellektueller war. Er liebte und liebt den Fußball, war und ist ein Mann der Praxis. Er war Reporter, Moderator, Entertainer, bei Sat 1 auch Manager, dann Producer und cleverer Unternehmer. Die Unterhaltung reizte ihn. Früh schon experimentierte er im Dritten Programm des WDR mit Helge Schneider und nach seiner Rückkehr in die ARD versuchte er sich an einer großen Samstagabendshow. Aber die „Guiness-Show der Rekorde“ blieb doch nur ein weiterer, etwas steifer „Wetten, dass..?“-Abklatsch. Beim Fußball konnte er sich einswingen in den Rhythmus des Spiels, die „Sportschau“ trittsicher moderieren und im Dialog mit Mehmet Scholl sogar einigermaßen entspannt sein. Auf der großen Bühne aber wirkte Reinhold Beckmanns Lässigkeit immer etwas gewollt. Ihm liegt eher die Kleinkunst.

Das musste er auch beim Talk erst einmal erkennen. Anfangs wirkte der ziellos und überfrachtet. Zu einer losen thematischen Klammer gab es Gags und Gimmicks und viele Sportler, die Beckmann duzte. Alle schielten auf die Reaktionen des erwartungsvollen Saalpublikums. In der ersten Runde sprachen Oliver Bierhoff, Nadja Auermann und der Sänger Matthias Reim über „Süchtig nach Erfolg?“.

Die entschiedene Purifizierung der Sendung hin zum intimeren Talk erreichte vor allem Boris Starck als Redaktionsleiter. Es sollte ein tiefgründiges Gespräch entstehen. Mit Geli Fuchs hatte Reinhold Beckmann eine vertraute Regisseurin an Bord, die diese Dichte abzubilden verstand. Anfangs wirkte das alles noch etwas gelernt. Reinhold Beckmann kroch in seine Gäste hinein, was oft karikiert wurde. Manchmal wollte er fast krampfhaft ausgerechnet von jenen Nähe, die sie standhaft verweigerten – als besonders kurios ist eine frühe Sendung mit Oliver Kahn in Erinnerung.

Mehr und mehr aber entwickelte „Beckmann“ mit einer mutigen Redaktion Interesse an besonderen Gästen und normalen Personen, am Arzt in einer Krisenregion, an Helfern und Abenteurern. Entdeckungen jenseits des Mainstreams und überraschende Begegnungen prägten die Sendung. Nicht die Inszenierung von vordergründigem Krawall, sondern das Ausloten eines Sachverhalts wurde Zweck der Sendung. Das ist an sich ja schon bemerkenswert.

Vielleicht sollten einfach viel mehr Leute einfach mal aufhören. Wenn sie dann genauso befreit aufspielen, wie es Reinhold Beckmann in den letzten Monaten tat, würde das dem Fernsehen insgesamt guttun.

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