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© Promo/Kasskara

BEKENNTNIS: "Mein Optimismus ist sehr begrenzt"

Nico Hofmann, Produzent der „Grenze“, über politische Provokationen, Schnapsideen und Guido Westerwelle.

Herr Hofmann, Sie hatten die Idee zu „Die Grenze“. Eine einigermaßen abstruse Idee.



Das finde ich ganz und gar nicht. Die Idee begann vor drei Jahren: Ich habe mich damals gefragt, ob wir in Deutschland eigentlich wirklich wiedervereinigt sind und im welchem Zustand sich unsere Gesellschaft befindet. Das war der Ausgangspunkt.

Ist „Die Grenze“ ein politischer Film, also mehr als Katastrophe und Action?

Selbstverständlich. Ich verschicke aber keine politischen Botschaften per Film, wir legen den Finger in Wunden. Zum Beispiel das dünne Eis, auf dem wir uns beim Thema soziale Balance zurzeit in Deutschland bewegen. Wir haben eine Regierung, die das Aussitzen von Problemen zum Programm gemacht hat und bei der man nicht den Eindruck hat, sie würde aktiv gestalten. Wir treiben in der „Grenze“ die Dinge sicher auf die Spitze. Aber was da passiert, ist nicht einfach aus der Luft gegriffen. Mich interessiert, wie anfällig unsere Gesellschaft für Radikalismus ist. Wenn es gelänge, mit diesem Film darüber eine Debatte anzustoßen, ich wäre wirklich froh.

Sie legen aber nicht nur Finger in Wunden, Sie geben auch Antworten. Zum Beispiel die, dass die herrschenden Demokraten um des reinen Machterhalts willen mit den Radikalen paktieren. Und damit sich selbst aufgeben. Und die Demokratie.

Da muss ich widersprechen. „Die Grenze“ ist ja keine aktuelle Bestandsaufnahme, sondern Fiktion. Eine bewusste Provokation. Es wird gezeigt, wie nach einem furchtbaren Terroranschlag die deutsche Bundesregierung nicht mehr aktiv eingreifen kann, weil sie bereits einen entscheidenden Vertrauensverlust bei der Bevölkerung erlitten hat und extreme Kräfte zunehmend das Ruder übernehmen. Daraus abzuleiten, wir wollten sagen, die Demokratie hätte abgewirtschaftet, ist dummes Zeug. „Die Grenze“ zeigt, wohin es führen kann, wenn die bürgerlichen Parteien ihre Glaubwürdigkeit verspielt haben. Das halte ich – auch und gerade mit Blick nach Griechenland und in die Niederlande – für eine große Gefahr.

Also doch: Der Film will mehr sein als reine Fiktion – Mahnung und Appell.

Ich halte bürgerkriegsähnliche Zustände für den Fall, dass bürgerliche Politik scheitert, absolut für möglich. Wenn sich die soziale Balance weiter verschlechtert, dann wird der Vertrauensverlust in Politik immer virulenter.

Warum ist „Die Grenze“ so pessimistisch angelegt?

Vielleicht weil ich selbst die politische Lage in Deutschland ein bisschen pessimistisch betrachte. Aber wenn Sie glauben, die Idee einer wiederbelebten „kleinen“ DDR sei eine Schnapsidee, dann kann ich Ihnen sagen, dass mir einige führende Manager aus der Wirtschaft bekräftigt haben, dass eine DDR als Billiglohnland vor der Haustür der Bundesrepublik für sie nicht unvorstellbar wäre. Und Stefan Aust, einer der besten Kenner des Verfassungsschutzes, hat mir gesagt, genau so, wie „Die Grenze“ Agentenarbeit zeigt, könnte der Verfassungsschutz sich verhalten.

Vor nichts hat der Deutsche mehr Angst als vor der Zukunft. Ihr Film könnte ihm Angst machen. Schürt er Angst?

Nicht nur mich sorgt der Zustand, in dem sich unser Land befindet. Was bestimmt denn die öffentliche Diskussion seit Wochen? Die Rolle des Lebensgefährten von Guido Westerwelle. Als ob es nichts Wichtigeres gäbe als diesen Zirkus parteipolitischer Häme und Eitelkeiten. Es wäre schön, wenn wir endlich zu den Notwendigkeiten zurückkehren würden. Aber mein Optimismus ist da begrenzt.

Sat 1 hätte den Film sicher nie produziert, wenn er nicht pessimistisch wäre.

Sat 1 mag’s eigentlich lieber positiv, wir hätten „Die Grenze“ auch ganz anders machen können. Aber die Zuspitzung, die wehtut und die wehtun muss, um etwas zu erreichen, die schaffen Sie nicht mit den Mitteln einer Komödie.

Sie riskieren viel. Sind Sie zum Erfolg verdammt?

Sagen wir es so: Wenn wir bei drei Millionen Zuschauern hängen bleiben sollten, dann wäre ich schon sehr enttäuscht. Das wäre auch deshalb schade, weil dann die Kritiker recht behalten würden, die schon vorab geunkt haben, dass man mit Politik keinen Menschen vor den Schirm locken könne.

Ist der Film nicht sehr stark auf die politischen Überzeugungen des ostdeutschen Publikums zugeschnitten?

Die Menschen im Osten haben aufgrund ihrer Geschichte eine sehr differenzierte Wahrnehmung. Verführbar sind diese Menschen viel weniger, als viele im Westen glauben. Ostdeutsche sind höchstens dann verführbar, wenn sie für ihre Lebensleistung keine Anerkennung erfahren – daraus saugt zum Beispiel die Linke reichlich Honig.

Könnte es nicht doch sein, dass viele Zuschauer im Osten mit der Annahme des Films übereinstimmen, die Demokratie habe sich längst selbst aufgegeben?

Wir haben eine Emnid-Umfrage in Auftrag gegeben: „Was ist Ihnen an der Demokratie wichtig?“ Antwort Ost: Achtzig Prozent sagen soziale Gerechtigkeit, zwanzig Prozent Freiheit. Im Westen sind die Resultate genau umgekehrt. Es gibt also große und wesentliche Unterschiede im vereinten Deutschland. Aber das bedeutet nicht, dass die Menschen im Osten die Demokratie aufgegeben hätten – sie setzen andere Prioritäten.

Aber Sie zeigen eine Situation, die im Osten spielt, und Sie zeigen Menschen, die verführbar sind.

Dieser Film wendet sich gegen jede Verführbarkeit. So wie wir zum Beispiel den rechtsradikalen Parteiführer demaskieren und zeigen, wie er sein Geschäft betreibt: Das ist Aufklärung, und wir wollen aufklären.

Haben Sie keine Angst, dass die falschen Leute dem Film zujubeln werden?

Überhaupt nicht. Ich sage Ihnen voraus, dass der Film ein sehr gebildetes Publikum haben wird, jung und gebildet. „Die Grenze“ ist kein Film, der geeignet wäre, in die falsche Richtung zu manipulieren.

Der dänische Philosoph Sören Kierkegaard sagt: Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man vorwärts.

Was soll ich sagen: So ist es.


„Die Grenze“, Teil 2, Sat 1, Dienstag, 20 Uhr 15

Nico Hofmann, 50, ist Geschäftsführer Teamworx Television & Film GmbH. Er produzierte Events wie „Der Tunnel“ und „Dresden“, er drehte „Land der Väter, Land der Söhne“ oder „Der Sandmann“.

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