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Oliver Welke (links) und Oliver Kahn auf der Dachterrasse an der Copacabana.

© ZDF

Bela Rethy, Thomas Wark und Co.: Bei den WM-Kommentatoren ist "verrückt" jetzt das Maß aller Dinge

Der Sonntagabend verlief - was die Peinlichkeit von Fußball-Kommentatoren und Moderation betraf - relativ schmerzfrei. Trotzdem ist unser TV-Kritiker Frank Bachner von der übertriebenen Verwendung eines Wortes genervt.

Wow, hier der neueste Stoff für alle reflexartigen Schenkelklopfer, für die Community der makellosen Superstars, die mängelfrei durch den Alltag surfen,  die nur Verachtung und Häme für jene Figuren haben, die ja wohl gar nichts auf die Reihe bekommen. Also, aufgepasst, fertigmachen zum losprusten: Bela Rethy hat mal wieder einen dieser dicken Klöpse geliefert. Hat doch glatt behauptet, beim Spiel Belgien – Russland sei der Belgier Vermaelen frei zum Kopfball gekommen. Dabei konnte doch die letzte Oma aus Stuttgart-Botnang sehen, dass es Vertonghen war. Und Rethy? Hat es auch noch bemerkt und um Verzeihung gebeten, na immerhin etwas.

Sind jetzt alle zufrieden? Alle, die TV-Reporter im Fernsehen generell für Pfeifen halten, egal wie gut oder schlecht sie sind, Ablehnung quasi als Naturgesetz? Und die den Rethy sowieso hassen? Gut, dann kann man ja jetzt zum seriösen Teil übergehen. Bela Rethy, danach Thomas Wark als WM-Kommentator des Spiels Algerien - Südkorea, und dazwischen Oliver Welke, Oliver Kahn und Urs Meier als Moderator und Experten-Team im Freiluft-Studio auf dem Hoteldach, sie alle waren angenehm. Besser gesagt: Sie hatten die im Alltag übliche Fehlerquote, sie fielen also nicht besonders negativ auf.

"Eine Torquote von null, das ist nicht viel"

Bela Rethy kommentierte wie immer, zurückgenommen, mit Fachwissen (Fehler inbegriffen) und einer durchaus angenehmen Sprache. Wer eine der akustischen Sirenen, einen der Marktschreier, die ein normales Spiel zum Hyper-Ereignis hochjazzen, hören möchte, der kann sich gerne mal Bernd Schmelzer von der ARD antun. Rethy ist nicht hysterisch, er dosierte seine Emotionen auf ein angenehmes Maß. Und, klar, er lieferte auch ein paar schräge Sätze. „Ein 0:0 zur Halbzeit, das sich anfühlt wie ein 0:0“, mit dieser Botschaft schickte er die Zuschauer zum kalten Bier im Kühlschrank nach der ersten Halbzeit. Ein anderer Rethy-Satz: „Er hat eine Torquote von null, das ist für einen Torjäger nicht viel.“ Na, wo er Recht hat, hat er Recht. Gut, er lässt junge russische Spieler „ein bisschen WM-Luft schnuppern“ und konstatiert, „dass der zuerst stotternde Motor jetzt Vollgas läuft“, aber bitte, wen stört’s außer ein paar Sprachpuristen?

Kahn, kurz und schmerzlos

Und Oliver Kahn? Gilt natürlich als die nächste Witzfigur. Wahrscheinlich liegen viele auch nach seinem Auftritt am Sonntagabend vor Lachen auf dem Boden. Fragt sich nur: weshalb? Weil er erklärt hat, dass der unfassbare Fehler des russischen Torhüters im ersten Spiel „nicht zu erklären ist“ und dieser Keeper „eigentlich ein Weltklasse-Mann ist“? Ach so, Oliver Kahn hat ja keine Ahnung vom Dasein eines Torwart-Alltags, stimmt ja, man hatte es fast vergessen. Kurz gesagt, Kahn lieferte am Sonntagabend einen soliden Auftritt, bremste zweimal dankenswerter Weise Oliver Welke ein, der, typisch öffentlich-rechtliches Fernsehen, die Aufholjagd der Südkoreaner zur Sonderdarbietung aufwerten wollte. Damit ja nicht zu viel Kritisches über den Sender geht. Kahn, kurz und schmerzlos: Das müsse man ja wohl den Südkoreanern erwarten können, dass die mal einen Gang hochschalten. Wir sind hier ja nicht bei der Bezirksmeisterschaft Bodensee-Nord. Sondern bei einer WM.

Und Urs Meier? Verlangte mit Verve, dass der grausam schlechte Schiedsrichter, der nun auch bei Algerien – Südkorea furchtbar daneben lag, eigentlich schon längst hätte nach Hause fliegen müssen. Kein Wischi-Waschi, kein Schutz des ehemaligen Schiedsrichters für die aktuellen Unparteiischen, klare Kante, deutliche Einschätzung, will man denn mehr?

Auch Thomas Wark, einer der eher Zurückgenommenen der Branche, kommentierte souverän-unauffällig. Nur einmal, da griff er daneben, blöderweise schrecklich daneben. Irgendwann müssen alle TV-Kommentatoren, bei privaten oder  öffentlich-rechtlichen Sendern, die Dienstanweisung erhalten haben: „Bei jeder noch so nichtigen Gelegenheit muss ein Spiel als „verrückt“ bezeichnet werden.“ Ansonsten droht eine Abmahnung oder ein Platzverbot vor dem Mikrofon. Seither gilt alles, aber wirklich auch alles als „verrückt“. Gleicht eine Mannschaft nach 0:2 zum 2:2 aus, ist das selbstverständlich ein „verrücktes Spiel“.  Es kann sich nur noch um Monate handeln, bis auch ein geglückter Anstoß eine Partie zum „verrückten Spiel“ adelt. Und so kam es am Sonntagabend wie es irgendwann kommen musste. Thomas Wark brüllte: „Ist das ein verrücktes Spiel hier.“ Na ja, Südkorea hat halt den Anschlusstreffer zum 2:4 geschossen, mehr ist nicht passiert.

Peinliche Fragen - am Sonntagabend zum Glück nur wenige

Aber vielleicht war der Sonntagabend auch deshalb ziemlich schmerzfrei, weil Deutschland nicht spielte. Damit blieben einem die Interviews nach dem Spiel mit den wahlweise peinlichsten, dämlichsten oder schleimigsten Fragen erspart. Freilich, eine Reclam-Version der Ranschmeißer-Gespräche und sinnlosen Fragen, lieferte gleichwohl Sven Voss vom ZDF. Der wollte nach dem 1:0-Sieg der Belgier, nach dem späten Tor des so genannten Geheimfavoriten, von dem Belgier Daniel van Buyten wissen: „Wie sehr haben Sie das 1:0 herbeigefiebert?“ Ach, wäre es schön gewesen, wenn der Bayern-Profi  erklärt hätte: „Ach, eigentlich ganz wenig. Ich mein‘, hier ist ja bloß eine WM. Da ist man ja nicht so emotional.“ Stattdessen ging er erst gar nicht richtig auf die Frage ein und erhielt dafür einen dankbaren Abschiedsgruß: „Viel Glück, Daniel.“ Ein Autogramm verlangte Voss nicht.

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