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Ohnesorg

© rbb

Benno Ohnesorg: Fremder Freund

Uwe Timm erinnert sich in "Der Freund und der Fremde" an Benno Ohnesorg.

Benno Ohnesorg – viele kennen den Namen des 1967 von der Polizei erschossenen Studenten, wenige wissen, wer er war. Der Schriftsteller Uwe Timm war mit Ohnesorg befreundet, anfang der sechziger Jahre. Timms Buch über diese Freundschaft hat Rolf Bergmann, Redakteur beim RBB, zu einem gemeinsamen Film inspiriert, ein Film über Timms Sicht auf Ohnesorg, seinen Umgang mit dem „Freund“. Eine subjektive „Annäherung an Benno Ohnesorg“, mit allen Vor- und Nachteilen. Wer Benno Ohnesorg war, wissen wir am Ende immer noch nicht, dafür taucht der Film ein in eine ganz eigene Welt Anfang der sechziger Jahre, in ein Klima, geprägt von bürgerlicher Enge, Kleingeistigkeit und Sehnsucht nach Offenheit und Ausdruck. Ein Film, der Risiken eingeht.

Timm und Ohnesorg lernten sich 1961 auf dem Braunschweig-Kolleg kennen. Dort holten sie 1963 ihr Abitur nach, dann ging Timm nach München und Paris, Ohnesorg nach Berlin. Es war das Ende ihrer Freundschaft. Im Radio hörte Timm von Ohnesorgs Tod. Im Buch wie im Film spürt Timm seinen Erinnerungen nach. Wie Ohnesorg und er am Ufer der Oker saßen und lasen, jeder die Texte des anderen. Wie Ohnesorg eine im Kolleg beachtete Kunstausstellung machte. Timm und Bergmann finden Bilder, die auf eine mitunter störrische Art zu den Texten passen. Ihre Unterschiede zu dem verbal Geschilderten machen deutlich: Die Bilder sind assoziativ hinzumontiert, sie bebildern nicht das Gesagte. Timm selbst ist nur selten zu sehen, Gespräche mit Personen, die Benno Ohnesorg gekannt haben, bringen die Autoren erst später im Film.

Timms Erinnerungen an die Jahre am Braunschweig-Kolleg, die damalige Freundschaft mit Benno Ohnesorg, für die er das alte deutsche Wort „Innigkeit“ findet – das sind die anrührenden Passagen des Films. Abgesondert von der Gesellschaft empfanden sich die beiden. Der Existenzialismus als Geisteshaltung interessierte sie, das Buch „Der Fremde“ von Albert Camus lasen sie gemeinsam. Dann, 1963, zogen sie in verschiedene Städte, der Abschied sollte ein radikaler sein. So sah es jedenfalls Timm. Nicht aber Ohnesorg. Als „Verrat unserer Freundschaft“ habe der den Kontaktabbruch gesehen, erfuhr Timm von Ohnesorgs Witwe, Christa Ohnesorg. Timm bedauert, „nicht gefragt zu haben“. Was wollte Ohnesorg werden, damals in Berlin? Warum hatte Ohnesorg aufgehört, zu schreiben? Was bewegte ihn, frisch verheiratet, und seine Frau erwartete ein Kind? Darüber weiß Timm wenig.

Am 2. Juni 1967, nach einer Demo, wurde Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen. Timm und Bergmann wollen nicht die Hintergründe recherchieren, das tun andere. Eine Tötungsabsicht unterstellen sie nicht. Eine auffällige Parallele zieht die Autoren in Bann: Auch in Albert Camus Roman „Der Fremde“ war es um einen Mord gegangen. Der Ich-Erzähler im Roman erschießt einen Araber am Strand, aus einem vagen Gefühl der Bedrohung, erschöpft durch Hitze und grelle Helligkeit. „Vielleicht gibt es keine tiefere Bedeutung“, so die Freunde damals. Zu Ohnesorgs Tod sagt Timm: „Das Empörende an seinem Tod ist das Zufällige, das Absurde.“

„Der Freund und der Fremde“, RBB, 22 Uhr 35.

Eckart Lottmann

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