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Feuer und Eis: Russlands Präsident Wladimir Putin trägt die Olympische Fackel

© AFP

Berichterstattung in Russland: Und jetzt alle: Suuuper-Sotschi!

Russland versucht im In- und Ausland, die Berichterstattung über Olympia in Sotschi zu kontrollieren - entweder mit Jubelberichten im Staatsfernsehen oder mit Polizeischikanen bei ausländischen Reportern. Doch besucht man eine der internationalen Pressekonferenzen vor Ort, wird schnell klar: Das geht nicht mehr lange gut.

Uljana Barbischewas sorgfältig geschminktes Gesicht gerät in Unruhe, ihre akkurat gezupften Augenbrauen heben und senken sich. Gerade noch hat die Pressesprecherin des Bolschoi-Eispalasts den internationalen Journalisten erklärt, wie hervorragend und fantastisch, ja perfekt, die Olympia-Testwettbewerbe in der Eishockey-Arena von Sotschi abgelaufen sind. Aber jetzt prasseln all diese Fragen auf sie ein. Fragen nach Korruption, Zwangsumsiedlungen und Menschenrechtsverletzungen. „Frau Barbischewa, haben Sie denn als russische Staatsbürgerin keine Meinung zu dieser Kritik an den Olympischen Winterspielen?“ Uljana Barbischewa hat sich jetzt wieder unter Kontrolle. „Ich stehe jetzt nicht als russische Staatsbürgerin vor ihnen, sondern als Sprecherin des Bolschoi-Eispalasts“, sagt sie mit einem Lächeln, das ein paar Grad abgekühlt ist. „Und ich kann ihnen versprechen, dass die Wettkämpfe hier hochklassig und wundervoll sein werden.“

Natürlich kann man Uljana Barbischewa und ihren Kollegen vom Organisationskomitee „Sotschi 2014“ nicht vorwerfen, dass sie Russland und die Olympischen Winterspiele in einem guten Licht erscheinen lassen wollen. Auffällig ist aber, wie perplex und unsouverän die Mitarbeiter der Olympia-Pressestelle reagieren, wenn sie mit Kritik konfrontiert werden. Den Grund für diese Überraschung kann man ein paar Meter hinter Barbischewa beobachten. Dort dreht ein Team des staatlichen Senders Russia24, mit ausladenen Armbewegungen deutet der Moderator durch die Arena: Wie neu! Wie groß! Wie schön! Diese Art der Berichterstattung ist man in Sotschi gewohnt, kritische Fragen eher nicht.

„Der Zugang zu freien Informationen ist in Russland so stark eingeschränkt wie seit dem Ende der Sowjetunion nicht mehr“, sagt Ulrike Gruska von Reporter ohne Grenzen. Die Organisation hat gerade einen Bericht mit dem Titel „Der Kreml auf allen Kanälen. Wie der russische Staat das Fernsehen lenkt“ veröffentlicht. Demnach ist das Fernsehen das mit Abstand wichtigste Medium, 90 Prozent der Russen beziehen dort hauptsächlich ihre Informationen. Und da die drei größten Kanale entweder direkt dem Staat oder kremlnahen Oligarchen und Konzernen gehören, werden die Russen zum Thema Olympia bislang fast ausschließlich mit Berichten über reibungslos verlaufende Testwettbewerbe, die Eröffnung neuer Stadien und den bombastisch inszenierten Fackellauf versorgt.

In Russland weiß man nichts von Problemen: Die drei größten TV-Sender sind staatstreu

„Die Spiele sind das wichtigste staatliche Ereignis. Man will, dass es gute Bilder gibt“, sagt der russische Journalist Michail Fishman, der in Moskau für den unabhängigen Fernsehsender TV Doschd arbeitet. „Wenn man den Kreml richtig böse machen will, muss man etwas Negatives über die Olympischen Spiele berichten.“ Vor diesem Hintergrund lässt sich auch verstehen, wieso ein norwegisches Fernsehteam bei Recherchen in Sotschi und Umgebung Anfang November immer wieder von der Polizei angehalten, eingeschüchtert und schikaniert wurde. Das russische Außenministerium entschuldigte sich im Nachhinein zwar für das Verhalten der örtlichen Polizei, die Grundhaltung zu kritischen Berichterstattern aus dem Ausland wurde aber klar.

Auf die nationalen Sender muss der Kreml hingegen kaum Druck ausüben. Laut Reporter ohne Grenzen herrscht dort eher Selbstzensur statt Zensur – und ein anderes Verständnis von Journalismus. „Kritik an der Regierung und der nationalen Aufgabe Olympia gilt vielerorts als unpatriotisch und illoyal“, sagt Ulrike Gruska. Berichte über Geldverschwendung und Korruption gab es im vergangenen Februar trotzdem. Als Präsident Wladimir Putin den Vizechef des Organisationskomitees wegen explodierender Kosten und offensichtlichen Missmanagements feuerte, sahen das auch kremlnahe Medien als Erlaubnis, das Thema aufzugreifen. Andersherum passiert es laut Reporter ohne Grenzen kaum einmal, dass Journalisten Missstände aufdecken und die Politik darauf reagieren muss. In der Rangliste der Pressefreiheit, die die Organisation jedes Jahr veröffentlicht, liegt Russland momentan auf Platz 148 von 179 Ländern.

Kritische Berichterstattung dürfte für ausländische Journalisten in Russland schwer werden: Es gibt keine Gesprächspartner

Wenige Schritte vom Bolschoi-Eispalast entfernt steht das gigantische Olympia-Pressezentrum, nach der Eröffnung der Spiele am 7. Februar werden hier rund 13.000 Journalisten aus der ganzen Welt arbeiten. Für ihr Wohlergehen ist gesorgt, auf einer Fläche, sieben Mal so groß wie der Rote Platz, können sie nicht nur Texte schreiben und Fotos bearbeiten, sondern auch shoppen oder in einem Fitnesszentrum schwitzen.

Reporter ohne Grenzen appelliert an alle Medienvertreter, neben den sportlichen Ereignissen auch den Problemen rund um die Winterspiele einen Platz in der Berichterstattung einzuräumen. Zum Hindernis könnte es bei diesem Ansinnen werden, dass man kaum jemanden findet, dem man kritische Fragen stellen kann. Im Vorfeld der Spiele dürfen internationale Pressevertreter zweimal im Monat ausgesuchte Wettkampfstätten besuchen, als Gesprächspartner werden Sprecher wie Uljana Barbischewa präsentiert, die allerdings nur Fragen zur jeweiligen Arena beantworten.

Unten in der Bolschoi-Arena wird schon das olympische Eis präpariert, ein holländischer Reporter versucht, Uljana Barbischewa doch noch irgendeine Aussage zu entlocken. Frau Barbischewa, welche Werte will ihr Land mit den Olympischen Spielen in die Welt transportieren? „Innovation, Gastfreundschaft, unsere russische Seele“, sagt sie überzeugt. Dann ist sie von den Fragen erlöst – fast. Die Kollegen von Russia24 wollen noch ein Interview. Uljana Barbischewa stellt sich so zur Kamera, dass das weite Runde hinter ihr hervorragend und fantastisch, ja perfekt, zur Geltung kommt.

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