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Berichterstattung: Korrospondent am polnischen Pranger

Dem Korrespondenten der "Süddeutschen" wird einmal mehr einseitige Berichterstattung vorgeworfen. Inzwischen fühlt sich Thomas Urban verfolgt

Der rote Fiat Punto vor seinem Haus war für Thomas Urban nicht zu übersehen. Auffällig unauffällig stand er geparkt, darin ein Fotograf, der offensichtlich dem Warschau-Korrespondenten der „Süddeutschen Zeitung“ auflauerte. Der Mann sei um sein Haus geschlichen und habe versucht, ihn bei der Gartenarbeit zu fotografieren, beschreibt Urban. Für den deutschen Korrespondenten besteht kein Zweifel: Der Fotograf wurde vom polnischen Boulevardblatt „Fakt“ auf ihn angesetzt. Das Magazin hatte Urban am Wochenende unter dem Titel „Verbissener Verteidiger der Krawallmacherin“ wegen seiner Berichterstattung zur geplanten Vertriebenengedenkstätte und über Erika Steinbach an den Pranger gestellt – mit Bild und Hinweis auf dessen Wohnsitz in einem Vorort von Warschau. „Nun klingelt bei mir wieder unaufhörlich das Telefon, ich werde beschimpft und bedroht, das Internet ist voll von Schmähangriffen auf mich“, beschreibt Urban die Reaktionen auf den Artikel in „Fakt“, das übrigens zum deutschen Springer-Verlag gehört.

Das Boulevardblatt wirft dem Korrespondenten vor, den Deutschland-Beauftragten der Regierung von Premier Donald Tusk, Wladyslaw Bartoszewski, als Ziel seiner journalistischen Attacken ausgesucht zu haben. Bartoszewski sehe sich „offenbar unter Druck, seinen Patriotismus unter Beweis zu stellen“, schrieb Urban in einem seiner Texte. „Er versucht es ganz offensichtlich, indem er permanent die Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen, die CDU-Abgeordnete Erika Steinbach, angreift. Unablässig hält er ihr Geschichtsfälschung vor, ein Vorwurf, der einer Überprüfung nicht standhält.“ Sätze wie diese brachten den 87-Jährigen Bartoszewski auf die Palme und schließlich erklärte er am vergangenen Donnerstag im polnischen Nachrichtensender TVN24, Steinbach habe einen „Ghost-Writer“ in Warschau, dies sei Thomas Urban, Korrespondent der „Süddeutschen Zeitung“.

Urban weißt den Vorwurf der einseitigen Berichterstattung weit von sich. Er habe sich immer bemüht, gerade bei den überaus schwierigen deutsch-polnischen Themen, die Fakten möglichst objektiv darzustellen. Aber der Journalist arbeitet seit Jahrzehnten in Warschau und weiß, dass er allein deshalb im Zentrum des kritischen Interesses steht, weil er über die Beziehungen schreibt. Die aktuelle Auseinandersetzung wirkt deshalb so verstörend, da sie an eine längst vergangen geglaubte Zeit in den deutsch-polnischen Beziehungen erinnert. Als Lech und Jaroslaw Kaczynski noch als Premier und Präsident das Ruder in der polnischen Politik fest in der Hand hielten, sahen die national-konservativen Kreise das Wirken der deutschen Korrespondenten mit großem Argwohn.

Mariusz Muszynski, Vorgänger Bartoszewskis als Deutschland-Beauftragter der polnischen Regierung, hatte sich damals sogar herausarbeiten lassen, warum ausgerechnet deutsche Journalisten so negativ gegenüber Polen eingestellt seien. In einer dicken Broschüre schrieb er, dass sie nicht „unvoreingenommene, überparteiliche Mittler“ seien. Ihr Ziel sei vielmehr, die Diplomatie der „Großmacht BRD“ zu unterstützen, welche nur im Sinn habe, „den ganzen Kontinent“ mit einem „Netz bi- und multinationaler Verträge“ zu durchwirken, dessen Fäden am Ende alle in Berlin zusammenliefen.

Dieses national-konservative Denken setzt sich noch bis heute fort in vielen polnischen Redaktionsstuben. Denn die Kaczynskis haben bei den staatlichen Fernseh- und Radiostationen und auch in einigen Zeitungen zentrale Positionen mit ihren Leuten besetzt. So hat sich eine Riege junger, konservativer Journalisten gefunden, die mit Eifer daran arbeiten, Polen gegen tatsächliche oder auch vermeintliche Angriffe zu verteidigen.

Knut Krohn

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