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Medien: Berlin, Berlin

Lieber Herr Wowereit, gerade weil ich überwiegend in München lebe, ist Berlin für mich die lebendigste, modernste, kaputteste, wildeste, offenste – kurzum, die schönste Stadt Europas. Das ändert sich, sobald ich eine Anzeige aus der Serie „Das Neue Berlin“ sehe.

Lieber Herr Wowereit,

gerade weil ich überwiegend in München lebe, ist Berlin für mich die lebendigste, modernste, kaputteste, wildeste, offenste – kurzum, die schönste Stadt Europas. Das ändert sich, sobald ich eine Anzeige aus der Serie „Das Neue Berlin“ sehe. Das jüngste Werk ist, ohne Verlaub, ein Konglomerat werblicher Dummheiten.

Zum Beispiel das Logo. Ausgerechnet „Das Neue Berlin“, von dem ich überraschende Bilder erwarte, schmückt sich mit dem Säulenblock vom alten Langhans. Immerhin, auf der Anzeige sind Kolthoff-Tower und Sony- Building zu bewundern. Aber erstens als schlechte Fotomontage. Und zweitens mit einer eingezwängten Dame, die eine Halskette vom Trödel-Markt trägt. Das Teil wurde extra angefertigt – einmal mehr mit integriertem Brandenburger Tor – und sieht aus wie Halsschmuck, den Erben ihrer Oma bereitwillig mit in den Sarg legen.

Immerhin, die Anzeige bringt Informationen. Die stören aber, weshalb sie der Grafiker in einen Kasten gequetscht hat. Zudem in Negativ-Schrift, die mühsam zu lesen ist. Das alles sind, wie gesagt, Dummheiten und verzeihbar. So richtig in die Niederungen der Werbung geht es mit dem Spruch „Schaustelle Berlin“. Da haben sich die Reklamer mächtig einen abgebügelt und ganz vergessen, dass der Leser zuerst den Wortursprung wahrnimmt, demnach an Baugruben und Stau denkt. Immerhin, der Senat muss von den Kosten der Anzeige (im „Spiegel“ 46 000 Euro) nur 30 Prozent tragen. Den Rest zahlen Sponsoren. Aber auch 13 800 Euro sind zuviel für ein verzerrtes Berlin-Bild.

Darum dieser Vorschlag: Lieber Herr Wowereit, wie wäre es, wenn Sie als Bürgermeister von diesem Geld ein Straßenfest für die Kinder der 120 Nationalitäten machen, die in Berlin leben. Kann sein, dass der „Spiegel“ sogar darüber schreibt. Kostenlos.

Und garantiert in lesbarer Schrift.

Reinhard Siemes

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