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Berliner Kunstschätze: Kisten und Listen

Verbrannt, verschleppt? Ein Kunst-Krimi über verlorene Berliner Schätze

Fackelschein auf dunklen Wänden, finster tropfende Gemäuer, Schatten an der Wand und Flammen, die aus Kisten schlagen: Ein großes Drama aus finsteren Zeiten, eine Schatzsuche à la Indiana Jones, das suggeriert Carola Wedels Fernsehfilm „Die 434 oder Das Geheimnis des Bunkers“ gleich in den ersten Einstellungen. Das Thema ist ein Phantomschmerz für Museumsleute, bis heute. 434, das war die Zahl der Meisterwerke europäischer Malerei, von Botticelli bis Rembrandt, die 1942 von der Gemäldegalerie zur Sicherung in den Flakbunker Friedrichshain ausgelagert wurden. Dort, so weiß es die Welt, verbrannten sie im Mai 1945. Doch: Verbrannten sie wirklich?

Die Geschichte führt mitten hinein in die chaotischen letzten Tage des Kampfes um Berlin. Schon hatte die russische Armee den Ostteil der Stadt, damit auch den Flakbunker Friedrichshain, besetzt. Diesen haben man am 1. Mai kampflos geräumt, erzählt Heinz Reinhardt im Film. 1945 war er Flakhelfer im Bunker. Die Tore zum ersten Stock, der komplett als Gemäldedepot umgebaut worden war, seien damals noch intakt gewesen. Doch als die sowjetische Trophäenbrigade wenige Tage später im Bunker eintrifft, ist dieser komplett ausgebrannt. „Ein unglaublicher Anblick“, erinnert sich Andrej Belokopitow, der Leiter der Trophäensucher. Skulpturen zerfielen vor seinen Augen zu Staub. Noch heute werden im Bodemuseum brandversehrte Kunstwerke gezeigt.

Zeitzeugen wie Reinhardt, Belokopitow oder den ehemaligen US-Kunstschutzsoldaten Kenneth C. Lindsay vor die Kamera bekommen zu haben – allein das ist schon eine Leistung des Teams um Carola Wedel, die sich im Rahmen des ZDF-Museumsinsel-Projekts wiederholt mit dem Thema Beutekunst beschäftigt hat (ihren Film über den Merowingerschatz im Moskauer Puschkin-Museum wiederholt 3sat am heutigen Mittwoch um 14 Uhr 02). Die Suche nach der Kunst aus dem Flakbunker ist leider weniger erfolgreich. Im März 1945 begannen die Nationalsozialisten quasi in letzter Minute ein gigantisches Evakuierungsprogramm. Mitten im heftigsten Bombenkrieg werden die Werke mit Zügen, LKW und Schiffen nach Thüringen und Niedersachsen gebracht und dort in Bergwerke eingelagert. Waren die 434 Bilder dabei?

Die Spur führt quer durch Deutschland und vielleicht bis in die USA. Es geht um Geheimzüge und Depots, um geheimnisvolle Kisten und Listen. Was genau war auf dem Schiff, das im Frühjahr 1945 einige Tage bei Sacrow vor Anker lag? Oder waren die Kunstwerke vielleicht mit in dem Zug, mit dem Hermann Göring seine privat zusammengeraubte Kunstkollektion Richtung Bayern verbringen ließ? Haben amerikanische Soldaten sie dort gefunden und vielleicht nach Hause mitgenommen?

Es ist ein Krimi-Stoff: Vieles ist spekulativ, manchmal wirken die nachgestellten Szenen im Film auch etwas reißerisch. Doch das Thema ist atemberaubend und birgt immer noch politischen Sprengstoff. Dass zum Beispiel die Amerikaner, die die von ihnen gefundenen Schätze im Central Collecting Point in Wiesbaden sammelten und sie schließlich an die Museen zurückgaben, zwischenzeitlich ebenso mit dem Beutekunst-Gedanken spielten wie die Russen, ist eine der brisanten Erkenntnisse aus Carola Wedels Film. Noch immer gibt es Inventarlisten in Washington, die nicht zugänglich sind. Es schadet nichts, in Zeiten aufgeheizter Beutekunst-Debatten mit Russland auch daran zu erinnern.

Fast muss man doch hoffen, dass die Russen rechtzeitig kamen und den Flakbunker noch vor dem Brand leerräumten. Besser, die Werke lagern versteckt in einem russischen Depot, als dass sie Opfer der Flammen wurden. Doch noch ist kein einziges der 434 Bilder wieder aufgetaucht, weder in Museen noch auf dem Kunstmarkt. Bernd Lindemann, der Leiter der Berliner Gemäldegalerie, steht im Depot traurig vor den prächtigen Rahmen, die einst einen Botticelli, einen Rembrandt fassten. Ironischerweise haben die Rahmen überdauert, während die zur Sicherheit ausgelagerten Werke verloren gingen. Auch Lindemann glaubt nicht an die Wiederkehr.

„Die 434 oder Das Geheimnis des Bunkers“; 3sat, Mittwoch, 21 Uhr 15 Uhr

Christina Tilmann

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