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Radio-Grösse: Berliner Schule

Leuchtturm des Senders: Wolfgang Bauernfeind, Leiter der RBB-Featureabteilung, geht in den Ruhestand.

Für die Preisurkunden reicht der Platz an den Wänden im „Haus des Rundfunks“ längst nicht mehr. So musste man sich zu einer „Petersburger Hängung“ entschließen: nicht, wie in den Museen anderswo, nebeneinander, sondern übereinander bis zur Decke gestapelt. Die Featureabteilung im RBB-„Kulturradio“ ist die erfolgreichste Einrichtung ihres Schlages auf deutschem Boden. Das hat mit den Köpfen zu tun, die hier jenen Geist schufen, den man als „Berliner Schule“ des Radios bezeichnen kann. Angefangen bei Peter Leonhard Braun, der mit seinen stereofonischen Originalton-Reportagen der sechziger und siebziger Jahre Pioniertaten vollbrachte und 1975 die Abteilung übernahm; bis hin zu Wolfgang Bauernfeind, der 1978 zum (damaligen) SFB kam, beim grand old man des Radiofeatures lernte und 1994 dessen Nachfolger wurde. Am Dienstag verlässt er seinen Posten und geht in Ruhestand. Die Stelle, sekundiert von einer Reihe hoch motivierter Mitarbeiter, ist ausgeschrieben. Und auch wenn die Sorge um ihre künftige Eigenständigkeit herumgeistert: Ein Leuchtturm des Senders wird die Abteilung, die alle Programmreformen nahezu unbeschadet überlebte, vermutlich bleiben.

Wie alle guten Radioleute ist Bauernfeind Intellektueller und Handwerker zugleich. Die beiden Bände von Egon Erwin Kisch auf seinem Schreibtisch müssen jedem Besucher ins Auge fallen. Auch die Lexika und Wörterbücher, die sich in den Regalen stapeln. Das Kulturradio, oft genug ein Hort des kulinarischen Einerlei, hier wird es wieder zum Ohr nach draußen. Man ist in der Welt, mit Sendungen, aber auch in persona, als Respektsperson innerhalb der internationalen Feature-Familie, die sich gerne auf Tagungen, Workshops und Festivals trifft. Klima und Aufgeschlossenheit an diesem Ort in der Masurenallee sind legendär. Gerühmt wird Bauernfeinds „kommunikatives Talent“. Er rief eine Featurewerkstatt für den ARD-Nachwuchs ins Leben und bereiste Afrika, um Radioaufbauarbeit zu leisten.

Deutsche Geschichte, vor allem die jüngere, wurde unter Bauernfeind ein Schwerpunkt des Programms. Gehen „übliche“ Features von Themen aus, die oft nach gängigen Strickmustern abgehandelt werden, so sind es hier die Handschriften Einzelner, die Sendungen prägen. Während Bauernfeinds Amtszeit hat sich viel geändert: vom dampfenden O-Ton-Naturalismus alter Schule zum leichtfüßigen Erzählen jüngerer Autoren. Ob das japanische Kalligraphie ist, eine Überlebensgeschichte aus dem Dritten Reich oder eine der Pleitestorys aus jüngster Zeit. Vergleichbar ist das mit den Reportagen jener „Edelfedern“, die die Dritten Seiten großer Tageszeitungen bestücken. Die Feinarbeit wird hier nicht per Debatte, sondern mit den Reglern getan. Features aus der Masurenallee sind nichts fürs Nebenbeihören. Das würde sich schon der Toningenieur verbitten, der hier im gleichen Atemzug wie Autor und Regisseur genannt wird.

Mit einer fünfteiligen Chronik über das Haus des Rundfunks in der Masurenallee verabschiedet sich Wolfgang Bauernfeind von seinem Sender. Monate- lang hat er dafür Archive durchstöbert und Zeitzeugen befragt. Wenn die Reihe am 24. Mai im RBB-Kulturradio startet, dürften auch Zeithistoriker auf ihre Kosten kommen. Christian Deutschmann

Christian Deutschmann

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