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Medien: Beruf ohne Wiederkehr

Mit Schröder verliert auch Regierungssprecher Anda sein Amt. Seinen Vorgängern blieb der Rückweg in den Journalismus verwehrt

So wie Kanzler Gerhard Schröder hat auch Regierungssprecher Béla Anda in dieser Woche die politische Bühne verlassen. Die Frage nach einer möglichen Rückkehr in seinen alten Beruf beantwortet der gelernte Journalist derzeit nur vage mit „Sag niemals nie“. Sollte Anda tatsächlich wieder in einer Redaktion arbeiten wollen, sieht er wohl schwierigen Zeiten entgegen: Den meisten seiner Vorgänger war der Weg zurück in den Journalismus versperrt.

Charima Reinhardt zum Beispiel war von 1998 bis 2002 zweite stellvertretende Regierungssprecherin. Ihr Job habe ständiges Rangieren bedeutet, erzählt sie: „Sie müssen die Schnittstelle zwischen wissbegierigen Journalisten und dem Kanzler ausloten und dessen Entscheidungen dann auch noch gut verkaufen.“ Den Kanzler wolle man aber nicht dauernd stören; außerdem war sie ihm, selbst zwar kein Parteimitglied, aber den Grünen nahe stehend, „vor die Nase gesetzt“ worden und bekam deshalb nie Zugang zu seinem engsten Kreis. Das hatte zwar durchaus Vorteile, denn „was ich nicht wusste, konnte ich auch nicht ausplaudern“, aber umso wichtiger waren Staatssekretärsrunden, Sachbearbeiter und nicht zuletzt der „Flurfunk“. Und dann gibt es da noch die Sprecher der Ministerien, die eifersüchtig über ihre Kompetenzen wachen: „Mit denen müssen Sie sich austauschen, um niemandem ins Handwerk zu pfuschen“, sagt Reinhardt. Allein durch diese Vielzahl an Informationen und Kanälen drohe täglich die Gefahr, nicht ausreichend informiert zu sein oder zumindest so zu wirken: „Eigentlich schaffen Sie es nie, den Journalisten all das zu sagen, was die hören wollen.“

Trotzdem habe damals „eine Woge der Sympathie“ ihre Zusammenarbeit mit der Presse getragen, sagt Reinhardt. Vielleicht, weil man sich schon lange kannte: Wie die meisten bisherigen Regierungssprecher kommt Reinhardt aus dem Journalismus. Vor ihrer Zeit im Bundespresseamt (BPA) hatte sie zehn Jahre lang für die „Frankfurter Rundschau“ aus dem Bundestag berichtet.

Béla Anda dagegen wechselte nicht aus den Reihen der Parlamentsberichterstatter in die Regierungssprecher-Riege, er war zuvor Chefreporter und dann Serien-Leiter bei der „Bild“ gewesen. Dadurch hatte er Schröder schon vor dessen Aufstieg zum Regierungschef kennen gelernt, zumal er 1996 gemeinsam mit einem „Bild“-Kollegen eine Biografie über ihn veröffentlichte. Anda wurde 1999 erster Vize- und drei Jahre später Chefsprecher der rot-grünen Regierung. Anda soll nie zum Inner Circle Schröders gehört haben, behaupten Insider, und habe den Medien deshalb wenig über die Arbeit seines Chefs erzählen können.

Wie wichtig ein enges Band zwischen einem Kanzler und dem Regierungssprecher ist, zeigt vor allem das Beispiel Helmut Kohl. Der misstrauische Kanzler sorgte oft für Ärger, weil er seinen Medienberater Eduard Ackermann als auch dessen Nachfolger Andreas Fritzenkötter oft besser informierte als den jeweiligen Regierungssprecher. „Nicht mal Pepe Boenisch konnte wirklich bis zu Kohl vordringen“, erzählt einer, der es wissen muss. Dabei gilt der in diesem Jahr verstorbene Boenisch als der letzte Regierungssprecher, der im Rampenlicht stand. Mit der Einführung des Privatfernsehens habe sich das geändert, sagt Peter Hausmann, von 1995 bis 1998 Sprecher der Regierung Helmut Kohl: „Hätte jedes Programm den Regierungssprecher gezeigt, hätten die Nachrichten überall gleich ausgesehen. Also ließen die Sender lieber ihre Reporter, die Aushängeschilder, die Regierungsnachrichten sprechen.“

Auch deshalb, meint Hausmann, habe sich das BPA in den vergangenen Jahren „immer mehr zu einer großen PR-Agentur entwickelt“. Er findet das gar nicht schlecht. Anders die Medien: Mittlerweile beschäftige das BPA „Public-Relations-Fachleute“, während dort früher noch „Handwerker der Macht“ am Werk gewesen seien, die noch „unendlich viel Zeit“ darauf verwendet hätten, „die Politik zu erklären und abzusichern, ohne dass man das Gefühl hatte, Spin-Doktoren aufzusitzen“, schrieb „Die Zeit“.

Zu den Handwerkern der Macht zählte dem Blatt zufolge Klaus Bölling, mit Unterbrechung knapp sieben Jahre lang Regierungssprecher unter Kanzler Helmut Schmidt. Tatsächlich habe er sich, als er sich nach dem vorzeitigen Ende der sozialliberalen Koalition 1982 nach einer neuen Aufgabe umsehen musste, als ungeeignet für PR betrachtet, erzählt Bölling: „Es gab Gespräche, aber es ist ein Unterschied, ob Sie Politik erklären und interpretieren oder ein Produkt verkaufen.“

Und dieser Unterschied besteht noch immer, darauf besteht Hans-Hermann Langguth, den die Grünen 2002 als Nachfolger von Charima Reinhardt in den Stab der Regierungssprecher beriefen: „Natürlich musste ich für die Politik der Regierung werben. Aber ich hatte gleichzeitig auch noch die Pflicht, objektiv zu informieren.“ Zudem habe seine Arbeit auch aus der Regelung, mitunter Vermeidung interner Konflikte bestanden. „Sehr wohl“ betrachte er deshalb sich und seine nunmehr ehemaligen Kollegen im BPA als Handwerker.

Anders als der bisherige zweite Vize- Regierungssprecher Thomas Steg, der künftig auch den neuen Chefsprecher der Regierung Merkel, Ulrich Wilhelm, vertreten wird, hat Langguth das BPA in dieser Woche verlassen. Auch er ist ausgebildeter Journalist, aber in seinem alten Beruf sieht er sich in naher Zukunft nicht: „Das glaubt einem sowieso keiner, dass man nach diesen Jahren unparteiisch ist.“

Die Geschichten der meisten bisherigen 21 Regierungssprecher geben ihm Recht. Peter Boenisch zum Beispiel war vor seinen zwei Jahren als Regierungssprecher einer der erfolgreichsten Chefs der „Bild“ gewesen. Auch ihm misslang die Rückkehr in eine Redaktion: Erst führte er die Geschäfte des Burda-Verlags, dann ging er zurück zu Springer – in den Aufsichtsrat. Nur gelegentlich veröffentlichte er noch Artikel.

Peter Hausmann, CSU-Mitglied, war leitender Redakteur beim Bayerischen Rundfunk, als er 1995 nach Bonn berufen wurde. „Sehr, sehr gerne“ wäre er drei Jahre später in seinen alten Beruf zurückgekehrt, sagt er, aber: „In Deutschland spukt noch immer in den Köpfen herum, es gäbe objektiven Journalismus.“ Schon vor seiner Zeit als Regierungssprecher habe er das für „Irrglauben“ gehalten – nicht so die Redaktionen: „Die sind auf Distanz gegangen.“ Hausmann stieg als Partner bei einer Unternehmensberatung ein.

Auch Charima Reinhardt arbeitet nicht wieder als Journalistin, sondern schreibt derzeit an einem Buch. „Wenn man einmal die Seiten gewechselt hat, gilt man als verbrannt“, sagt sie mit Bedauern.

Klaus Bölling, vor seiner Zeit als Sprecher Intendant von Radio Bremen, blieben die Redaktionstüren ebenfalls verschlossen. Erst habe er geglaubt, ihm sei eine „Karenzzeit“ verordnet worden, sagt er heute. Zeit, um Abstand zu den Bonner Kreisen zu gewinnen und so zurück zum unabhängigen Journalismus zu finden. Immerhin hatte Bölling selbst Politik gemacht, als Helmut Schmidt ihn 1981 als Ständigen Vertreter der Bundesrepublik für ein Jahr in die damalige DDR schickte. Böllings Suche nach einer neuen Aufgabe im Journalismus blieb vergebens. Er erkannte: „Man ist, um es mit einem Augenzwinkern zu sagen, stigmatisiert.“ Er wurde freier Publizist.

Um Anda macht Bölling sich dennoch keine Sorgen, denn der sei mit 42 Jahren ja noch jung: „Ich glaube nicht, dass er in ein tiefes Loch fallen wird.“ Anda selbst will erst einmal in Ruhe Weihnachten mit der Familie feiern, bevor er sich Gedanken über seine Zukunft macht, sagt er, „nach diesem turbulenten Jahr“.

Nicole Diekmann

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