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Medien: Berufung: Nachbar

Der legendäre „Abendschau“-Reporter Hans-Werner Kock ist tot

Die lustigste Geschichte über ihn erzählte mir die Moderatorin Angelika Neumann: „Das war bei einer Sendung zur 750-Jahr- Feier. Im letzten Bild fuhren wir mit einer Vespa um die Siegessäule. Aber das Ding ließ sich einfach nicht ausschalten. Und so mussten wir so lange fahren, bis kein Benzin mehr im Tank war.

Hans-Werner Kock ist tot. Aber die lustigen Geschichten über ihn werden weiterleben. Zum Beispiel die, als 1984 nach der Entführung einer Lufthansa-Maschine ein telefonischer Korrespondenten-Bericht live zu ihm in die „Abendschau“ geschaltet werden sollte. Nach drei, vier oder fünf Versuchen hatte er entnervt das Telefon auf den Studioboden gefeuert, um es dann reumütig – und jetzt vor laufender Kamera – an der Schnur auf den Tisch zu angeln. Denn die Verbindung war nun hergestellt. Ich war als „leidender“ Redakteur Zeuge dieses Pannen-Klassikers der „Abendschau“.

Hans-Werner Kock ist tot. Aber als Berlins bekanntester „Nachbar“ wird er in unserer Erinnerung weiterleben. „Macht’s gut, Nachbarn!“, sagte er am Ende seiner Moderationen. Und er meinte es, wie er es sagte. Ich war oft mit ihm in der Stadt unterwegs, wenn wir Live-Sendungen vorbereiteten. Dann traf er seine Nachbarn wirklich „live“. Dann haben sie ihn angesprochen. Vorschläge gemacht. Ihm „die Meinung“ gesagt. Und er hat zugehört, hat es genossen, „Nachbar“ zu sein.

Nein, er spielte den Nachbarn nicht, obwohl er ja gelernter Schauspieler war. Wie seinen Nachbarn wollte er den Hörern und Zuschauern das mitteilen, was in der Stadt passierte. Am eindrucksvollsten tat er das in der Nacht zum 10. November 1989, als er seinen Nachbarn im Osten und im Westen den Fall der Mauer schilderte. Ohne Anzug und Krawatte. Locker im Pullover. So wie man sich anzieht, wenn man zum Nachbarn geht.

Dabei war er nicht einmal Berliner. Hans-Werner Kock stammte aus Hamburg, wo er am 15. März 1930 geboren wurde. Seine Radio-Karriere startete er Anfang der 50er Jahre bei Radio Bremen und beim NDR. Über Finnland, wo er als Korrespondent arbeitete, führte sein Weg nach Berlin. Seine Stimme war bald ein Markenzeichen der Berolina. Man hörte ihn im Echo am Morgen. Im Echo am Mittag. Kein Berliner Ereignis, dem er nicht seinen Stempel aufdrückte.

Hans-Werner Kock ist tot. Aber seine Begabung als großer Reporter lebt weiter. Er hat sie beizeiten weitergegeben. Was er konnte – fünf, zehn Minuten und länger vor der Kamera zu stehen und dabei nicht auf einen Zettel zu schauen. Das sollten auch andere können.

„Schau die Kamera an. Denke, sie ist eine gute Bekannte, der du etwas erzählst.“ An diesen Rat erinnert sich immer wieder Ulli Zelle. Er ist jetzt der erfolgreichste Live-Reporter der „Abendschau“.

Hans-Werner Kock hat ihn entdeckt. Ihn zur „Abendschau“ gebracht. Und gestern Abend hat sich Zelle dafür bei seinem „Ziehvater“ bedanken dürfen. Aus seiner Feder stammt der Nachruf, den die „Abendschau“ sendete. Einfühlsam - so wie es Zelle einmal von Kock gelernt hat.

Der Autor arbeitete von Mitte der 80er Jahre bis 1992 mit Kock bei der „Abendschau“ zusammen. Heute moderiert er die Sendung „Rückblende“ im RBB Berlin.

Siegfried Wiechmann

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