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Medien: Bescherung bei Springer

Jan-Eric Peters wird Chefredakteur von „Welt“ und „Morgenpost“. Das erfuhr die Redaktion bei ihrer Weihnachtsfeier

Ein Vorgänger findet selten, dass es der Nachfolger besser kann. Das ist vor allem dann der Fall, wenn dem Vorgänger der Posten „unter dem Hintern weggeschossen“ wurde, wie Herbert Wessels kürzlich seinen Abgang als Chefredakteur der „Berliner Morgenpost“ beschrieb. Das neue Erscheinungsbild der „Berliner Morgenpost“ gefällt ihm nicht, und er mag auch nicht, was er darin zu lesen bekommt. Das Blatt ist nach Wessels Ansicht „mindestens auf den Stand von vor 15 Jahren zurückgeführt worden“.

Zielscheibe der Kritik ist Jan-Eric Peters, seit einem Jahr verantwortlich für die „Berliner Morgenpost“. Es war am Nikolaustag 2001, als Springer verkündete, dass die Redaktionen von „Welt“ und „Berliner Morgenpost“ zusammengelegt werden.Wessels war gegen die Fusion – und musste gehen. Seither war Wolfram Weimer Chefredakteur von beiden Blättern. Sein Stellvertreter, zuständig für die „Morgenpost“, wurde Peters. Das blieb so bis zum 6. November dieses Jahres, dann musste Weimer gehen. Ihm wurde vorgeworfen, Interna ausgeplaudert zu haben. Illoyalität – das ist etwas, was der Chef des Springer-Verlags, Mathias Döpfner, 39, nun wirklich nicht ausstehen kann. Döpfners Geduldsfaden riss endgültig, als er in Zeitungen lesen musste, der 38-Jährige sei im Gespräch, zur „FAZ“ zurückzukehren. Und dann folgte auch noch ein öffentlicher Briefwechsel zwischen dem „FAZ“- Aufsichtsratschef und Weimer – Weimer musste gehen. Schnell wurde Jan-Eric Peters zum kommissarischen Chefredakteur „Morgenpost“/„Welt“ ernannt.

Am Freitagabend hatte die doppelbelastete Redaktion Weihnachtsfeier, hoch oben im Verlagshaus, im Ullstein-Saal. Weimer hatte morgens noch den letzten seiner berühmten „Freitagsbriefe“ an die Redaktion geschrieben. Abends ging er zur Feier, um sich persönlich zu verabschieden und zu erinnern, was man alles Schönes zusammen gemacht habe in den fünf Jahren. Danach sprach Herausgeber Dieter Stolte, zum Abschluss Döpfner. Zur Bescherung hatte sich der Verlag etwas ganz Besonderes ausgedacht. Es sollte nicht nur der alte „Welt-“/ „Morgenpost“-Chefredakteur verabschiedet werden, es sollte auch der neue begrüßt werden: Jan-Eric Peters, 37. Er hatte sich nach Döpfners Ansicht in den vergangenen Wochen bewährt. Sein Auftritt fand denn auch vor allen anderen statt. Den Posten übernimmt er offiziell ab 1. Januar. Sein Stellvertreter wird Johann Michael Möller, 47, der dafür die Leitung der Innenpolitik an Nikolaus Blome, 39, abgibt. Blome bleibt zudem Leiter des Parlamentsbüros, verzichtet aber darauf, stellvertretender Chefredakteur zu sein. Das wird Andrea Seibel, 44, „Forum“–Chefin, neben Carl Graf Hohenthal.

Als Peters nach Weimers ungeplantem Abgang zum kommissarischen Chef berufen wurde, hat kaum jemand damit gerechnet, dass er tatsächlich Chefredakteur werde. Vor allem die Wirtschaftsredakteure, die Konservativen der Redaktion und jene, die sich einer gewissen Branchenbekanntheit rühmen, wehrten sich gegen Peters. Sie hatten erwartet, dass der neue Chefredakteur ein Großkaliber ist, mit einem Namen wie ein Donnerhall. Von Hugo Müller-Vogg (Ex-„FAZ“) über Roger de Weck (Ex-„Zeit“) bis Frank Schirrmacher („FAZ“) kursierten die Spekulationen. So lange, bis sich Döpfner bemüßigt fühlte zu sagen, er habe noch kein einziges externes Gespräch über diesen Posten geführt.

Nun also Peters. Für jene Journalisten, die sich und die „Welt“ für etwas Besseres halten, erscheint Peters nicht angemessen. Nicht intellektuell genug, sagen sie, kein politisches Profil, ein Boulevardmann, ein Lifestyle-Journalist sei Peters.

Der 37-Jährige arbeitete nach Politikstudium und Münchner Journalistenschule zunächst frei und dann bei der „Abendzeitung“. Von dort holte ihn 1996 Mathias Döpfner, der damals gerade Chefredakteur der „Hamburger Morgenpost“ geworden war. Kurzzeitig trennten sich danach ihre Wege: Döpfner ging zur „Welt“, Peters wurde „Max“-Chef, er sollte das Blatt zur 14-täglichen Illustrierten umbauen. Nachdem er monatelang Einstellungsgespräche geführt hatte, um die Redaktion aufzubauen, ging er – nicht ganz freiwillig. Kurze Zeit später heuerte er bei Springer an. Das Projekt einer Tageszeitung für junge Großstädter, die Peters entwickelte, wurde nach einem Markttest verworfen. Statt dessen holte ihn Döpfner an die Spitze von „Welt“ und „Morgenpost“. Was folgte, waren im Zuge der Fusion wochenlange Entlassungsgespräche. Gleichzeitig bereitete Peters den Relaunch der „Berliner Morgenpost“ vor. Seit September heißt es dort Berlin, Berlin, Berlin. Die Auflage bröckelt weiter.

Auflage – das war auch so ein Streitpunkt zwischen Weimer und Döpfner. Weimer wollte nicht einsehen, warum Döpfners Strategie richtig sein soll, nicht mehr um jeden Preis Auflage zu machen. So wird die tagesaktuelle „Welt“ neuerdings nicht mehr bis an den letzten Kiosk im Ausland geliefert. Seitdem Döpfner Vorstandschef ist, muss auch die defizitäre „Welt“ sparen. Das sah Weimer ein und fand es eine prima Idee, den Chefredakteur der „Welt am Sonntag“ einzusparen. Warum nicht auch die „Welt am Sonntag“ mit der „Welt“ und „Morgenpost“ zusammenlegen, dachte er sich. Das Problem: Döpfner wollte das nicht, und wenn, dann wollte er das schon selbst entscheiden.

Ein „Welt“-Chef mit großem Namen hätte bestimmt wieder Unruhe in den Verlag gebracht, hätte ein paar neue, gute Leute mitbringen wollen, sich vielleicht nicht mit dem „Welt-am-Sonntag“-Chef Thomas Garms verstanden oder gar intern mit der Sonntagszeitung konkurrieren wollen. Mit Peters dagegen wird alles glatt gehen. Ihn verbindet mit Garms dasselbe Vorurteil. Garms, früher Chef der Männermagazine „Playboy“ und „Men’s Health“, versteht sich hervorragend mit dem sehr umgänglichen Peters, der seine Erfahrungen bei Boulevardzeitungen und „Max“ gesammelt hat. „Welt“ und „Welt am Sonntag“ können nun noch enger zusammenrücken. Massenkündigungen bei der „Welt“, als Ausdruck des Protests gegen Peters, sind auch nicht zu erwarten – in diesen Zeiten kündigen nur ganz Hartgesottene freiwillig.

Die „Welt“ wird sich weniger Meinung leisten. Dafür hat sie einen Redaktionsmanager als Chefredakteur, der auch sonst darauf achtet, dass sich das Blatt nicht zu viel leistet.

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