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Eigenantrieb. Auch auf YouTube gehört der Münsteraner „Tatort“ mit Jan Josef Liefers (links) und Axel Prahl zu den erfolgreichsten Krimi-Folgen. Drehbuchautoren fordern, dass solche Filme offiziell besser vermarktet werden, damit auch sie davon profitieren.

© dpa

Bessere Honorare für Autoren!: Treibstoff für die Ideenmaschine

Drehbuchautoren profitieren zu wenig von neuen TV-Plattformen – und fordern neues Vergütungssystem. Ein Plädoyer von Fred Breinersdorfer

Neulich traf ich einen Schauspieler, der mir von einem „geilen Script“ vorschwärmte, das er auf dem Tisch habe. Ich fragte nach dem Autor, er grübelte, dann: „keine Ahnung“. Ich: „Wie geht die Story?“ – Das Drehbuch war von mir. Geil!

Wer in die „Bunte“ kommen will, sollte nicht Autor werden. Dabei ist das Drehbuch buchstäblich der Dreh- und Angelpunkt für ein Filmprojekt. Nur mit einem überzeugenden Skript kann man Regisseure, Schauspieler, Kameraleute, Komponisten und die anderen Beteiligten gewinnen. Und nur damit lassen sich Produzenten, Sender, Verleiher und Förderer davon überzeugen, Geld in ein Wirtschaftsgut zu investieren, das bis die erste Klappe fällt, aus nichts anderem besteht als etwa 100 Seiten Text. Der allerdings ist der exakte Bauplan des Films.

Nun sollte man meinen, dass die Autoren, wenn schon nicht Ruhm und Ehre, so doch anständige Honorare bekommen. Im Prinzip ja – wenn nur nicht das Internet wäre. Denn wir beobachten seit Jahren eine Verschiebung des Filmangebots von den traditionellen Medien, also TV, DVD und den Kinos, ins Netz mit Streamingdiensten und Downloadangeboten. Unsere Fernsehsender leisten sich mit Mediatheken einen attraktiven und zunehmend genutzten Internetauftritt. Dem traditionellen, frei empfangbaren TV brechen dagegen immer mehr Zuschauer weg, weil sie ihren Tagesrhythmus nicht mehr vom Programm bestimmen lassen wollen. Allen voran das junge und gebildete Publikum.

Daran müsste sich auch die Honorierung der Kreativen anpassen. Denkste! Ich habe meine Vergütungen aus der Internetnutzung meiner inzwischen mehr als 75 abendfüllenden Filme für das Jahr 2014 zusammengerechnet. Heraus kamen: 187 Euro und ein paar Cent.

Ich kenne niemand von uns, der besser dasteht. Die digitale Welt ist ein Selbstbedienungsladen, bei dem wir Filmemacher als Lieferanten leer ausgehen.

Kein Sender zahlt auch nur einen Cent dafür, dass er mit unseren Filmen seine Internetambitionen powert, für die in jeder Nachrichtensendung aufdringlich geworben wird. Fast alle Filme, die ich geschrieben habe, stehen auf YouTube mit teils erstaunlich hohen Click-Zahlen, nur, mir zahlt keiner was dafür. Wenn ich verlange, dass der Sender als alleiniger Rechteinhaber dem Spuk ein Ende bereitet, stoße ich auf mäßiges Interesse. Warum? Man sieht es gerne, wenn die eigenen Produktionen dauerhaft verfügbar sind, weil die Mediatheknutzung zeitlich begrenzt ist. Und, kein Witz, gewisse ARD-Sender, bezahlt mit unseren Zwangsbeiträgen, stellen selber die Filme bei YouTube ein. Ob sie dafür Geld bekommen, ist Geheimsache.

Fast noch krasser finde ich, dass unsere international anerkannt hochwertigen TV-Filme nicht auf Internetplattformen zu finden sind, wo sie legal und bezahlt gestreamt oder heruntergeladen werden könnten. Die Sender haben alle einschlägigen Rechte – aber sie nutzen sie nicht kommerziell. Aber wenn ich selbst eine digitale Kopie eines meiner Streifen vom Sender für eigene private (!) Zwecke will, verlangt er mehr als 50 Euro.

Dabei werden uns in sogenannten Buyout-Verträgen alle nur denkbaren Rechte abgenommen. Zum Beispiel Merchandising-Rechte für NS-Dramen. Will man Basecaps oder Regenschirme mit einschlägigen historischen Runen in einer Kombi mit dem Senderlogo für NPD-Fans in Dresdner Souvenirshops bringen? Sicher nicht. Aber es geht ums Prinzip.

Ohne Geld singt selbst der Bettler nicht

Aber um welches? Das Prinzip der Verwerter: „Wir haben die Marktmacht und nehmen uns was wir wollen.“ Oder das Prinzip: „Ohne Geld singt selbst der Bettler nicht“? Es ist so: unsere Honorare sind seit Jahren rückläufig. Dabei braucht unsere Medienwirtschaft mehr denn je klasse Filme, mit denen wir in nationaler und internationaler Konkurrenz bestehen können. Und die kann es nicht ohne faire, auskömmliche Honorare für die Kreativen und deren Nachwuchs geben.

Der Gesetzgeber muss uns mit äquivalenter Macht ausstatten. Rechte sind Macht. Wir brauchen Rechte, die uns nicht einfach mit „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ als kleingedruckte Anlagen zu unseren Verträgen abgenommen werden können. Die derzeit laufende Reform des Urhebervertragsrechts ist ein wichtiger Schritt dahin. Indes, was macht der Urheber mit der Befugnis, beispielsweise von YouTube eine angemessene Beteiligung für jeden Click auf einen seiner Filme zu verlangen? Nichts! Wir sind Kreative und keine Inkassobüros. Also muss uns der Gesetzgeber die Möglichkeit geben, unsere Rechte zur Durchsetzung zu bündeln. Dazu braucht man keine neuen Agenturen, die Verwertungsgesellschaften verfügen seit Jahrzehnten über rechtliches und technisches Know-how. Sie sind gesetzlich mit allen erforderlichen Befugnissen ausgestattet, um für uns mit Giganten wie iTunes, YouTube, den Googles, Skys und Netflix' dieser Welt faire Abkommen auf gleicher Augenhöhe abzuschließen. Seit Langem treiben sie für uns Gelder aus der Nutzung von Zweitverwertungen unserer Filme ein und verteilen sie in streng kontrollierten Verfahren, sie brauchen auch die Rechte für die digitale Welt.

Jeder von uns Kreativen will doch, dass unsere Filme so breit wie möglich angeboten werden. Öffentliche Wahrnehmung ist Kerosin für unsere Ideenmaschine wie das Geld, das wir für unsere Arbeit buchstäblich verdienen. Was spricht denn dagegen, das gute alte Urheberrecht aufzuspalten in ein Nutzungsrecht und einen selbstständigen Vergütungsanspruch. Sicher, wer in einen Film und damit auch in die beteiligten Kreativen sein Geld steckt, soll ihn auch eine angemessene Zeit exklusiv vermarkten können. Aber dann muss Schluss sein mit der Exklusivität, dann braucht der Film neue digitale Räume, um wahrgenommen zu werden. Dafür müssen wir Filmemacher jenseits bindender Exklusivität das Nutzungsrecht in die Hände kompetenter Verwerter legen können.

"Tatort" ins Netz!

Beispiel: Ein „Tatort“ wird fünf Jahre nach der Erstausstrahlung praktisch nicht mehr im Fernsehen wiederholt. Aber im Netz könnte er präsent sein. Dafür müssten die Sender den Film zur Verfügung stellen. Legal! Wer will, kann ihn dann auf einer Plattform vermarkten, muss aber dafür über die Verwertungsgesellschaften an die Kreativen und auch den Sender eine angemessene Vergütung bezahlen. Wenn man bedenkt, wie viele Filme und Serin in den Archiven verstauben, kann man sich vorstellen, dass mit ihnen ein interessanter Markt entstehen würde für das Publikum und für Sprit für neue Ideen.

Fred Breinersdorfer ist Drehbuchautor („Sophie Scholl – Die letzten Tage“) und Rechtsanwalt. Sein Text beruht auf einem Vortrag bei der Konferenz „Die Zukunft des Urheberrechts“ am 1. und 2. Dezember in Berlin.

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