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Beziehungsdrama: Wie sie wurden, was sie sind

Der Film „Die letzten 30 Jahre“ erzählt mit leichter Hand von Menschen und ihren Möglichkeiten

Bayern, Mitte der 70er Jahre: Bäckerstochter Resa (Rosalie Thomass) kommt aus der Provinz nach München, um Jura zu studieren. Sie will Richterin werden. „Es geht mir um Gerechtigkeit“, sagt sie. Dem Mann, in den sie sich verliebt, geht es um die Revolution. Oskar (mit ungeheurem Charme David Rott) will die Welt verändern – dabei stört „die private Ebene“ nur. Ein paar Jahre später hat Resa einen Einser-Abschluss gemacht und Oskar wird beim Kampf gegen die Startbahn West verhaftet. Mit ihrem neuen Freund, ebenfalls Jurist, holt sie ihn aus dem Gefängnis. Schließlich werden die beiden doch noch ein Paar, allerdings eines, bei dem die Sollbruchstellen bereits deutlich sind. Im gemeinsamen Wohnzimmer mit Meerschweinchen und einer Zimmerlinde, wird es ihm, der keine Kinder will, zu eng. Er verschwindet, und erst 2006 sehen sich die beiden zufällig vor Gericht wieder. Sie (Barbara Auer) ist Anwältin für eine Umweltschutzorganisation, er (August Zirner) arbeitet als Pressesprecher für das CDU-Wirtschaftsministerium.

Eine kleine Geschichte, die einen großen Zeitraum überspannt. Zum Glück versucht der Film nur in wenigen Szenen eine Geschichte der Bundesrepublik zu erzählen oder den Zeitgeist zu thematisieren. Meist bleiben die Figuren ganz bei sich, bei ihrem Herkommen, ihren Gefühlen und Irrtümern. Sie müssen nichts beweisen oder gar Allgemeingültiges aussagen. Klischees werden mit leichter Hand benutzt und verworfen. Das Private ist hier privat. Und alles überstrahlt Rosalie Thomass, gebürtige Münchnerin, die die bodenständige Resa mit ihrem anfangs starken bayerischen Dialekt spielt. Ihre Naivität hat eine ganz eigene Kraft und ist letztlich doch Lebensklugheit. „Was die Welt braucht, ist gemischte Systematik“, sagt sie. Und genau diese Mischung aus Liebe und Politik, Echtheit und Illusion, Plänen und Pleiten macht die Authentizität dieses Films aus. Rosalie Thomass, die 2007 einen Grimme-Preis für „Polizeiruf 110 – Er sollte tot“ bekam, bringt mit ihrer langsamen, ruhigen Art zu agieren ein besonderes Potenzial mit. Die Gesten und die Blicke der 23-Jährigen wirken manchmal wie in Zeitlupe und sind doch ganz wach und sehr präzise. Es wird interessant sein, ihren weiteren Werdegang zu verfolgen.

Regisseur Michael Gutmann inszenierte dieses ironische Beziehungsdrama nach dem Drehbuch von Ruth Toma („Solino“, „Emmas Glück“, „Liesl Karlstadt und Karl Valentin“), die aus dem bayerischen Bad Kötzting stammt. Auch wenn die Sprache, der Soundtrack und die Ausstattung die 70er Jahre abbildet und beim ein oder anderen Zuschauer nostalgische Gefühle wecken mag, ist der Film „Die letzten 30 Jahre“ kein Thesen- oder Erklärungswerk. Es geht um Lebenskonzepte und Widersprüche, ums Scheitern und ums Lockerlassen. Das Ende ist sehr versöhnlich. Auch die tragischen Momente werden gelassen bilanziert.

August Zirner und Barbara Auer wirken bei ihren ersten Auftritten allerdings fast wie Fremdkörper. Man versucht tatsächlich in ihren Gesichtern etwas von dem jungen Paar zu entdecken. Altern im Film ist eines der schwierigsten Kunststücke. Und natürlich entstehen durch einen solch extremen Zeitraffer Brüche in der Handlung und Irritationen beim Zuschauer. Macht nichts, dieses Fernsehstück will kein wuchtiges Epos sein. Nicht ums große Ganze soll es gehen, hier wird mit leichter Hand ein Zeit-Mosaik hingestreut.

„Die letzten 30 Jahre“, Arte, 20 Uhr 15

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