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Medien: Bienzle und das Phantom der Oper

Im Kosmos der „Tatort“-Kommissare ist der Bienzle, der Trenchcoat-Mann aus Stuttgart, so etwas wie der Erich Ribbeck unter den Fußballtrainern: Man ist sich nie so ganz sicher, ob man den gediegenen Ermittler wirklich ernst nehmen soll. Ernster zum Beispiel als die soziologischen Statements der Kollegin Odenthal, ein paar Kilometer weiter nördlich in Ludwigshafen.

Im Kosmos der „Tatort“-Kommissare ist der Bienzle, der Trenchcoat-Mann aus Stuttgart, so etwas wie der Erich Ribbeck unter den Fußballtrainern: Man ist sich nie so ganz sicher, ob man den gediegenen Ermittler wirklich ernst nehmen soll. Ernster zum Beispiel als die soziologischen Statements der Kollegin Odenthal, ein paar Kilometer weiter nördlich in Ludwigshafen. Wären deren atemlose „Tatort“-Stunden ein Spiegel für die Schlechtigkeit der Welt, müsste man sich nach jeder Folge aus dem Fenster stürzen.

Nicht so bei Bienzle, gespielt von Dietz Werner Steck. Seit 1992 gibt er den Schwaben-Kommissar in vornehmer Distanz zur Welt, den Kollegen, Opfern und Zeugen. Wenn’s gut läuft, ist das wie bei „Columbo“. Wenn nicht, dann ist es so wie jetzt am Sonntag. Da gerät der Mordfall fast zur Nebensache, wenn es darum geht, was Bienzle seiner geliebten Hannelore zum 50. Geburtstag schenken soll. Parfüm vielleicht?

Passend jedenfalls die Kulissen der Stuttgarter Oper, die sich Drehbuchautor Felix Huby diesmal als Tatort ausgesucht hat. Dort wird ein Freund des Hauses, der Sängerbetreuer und HNO-Arzt Dr. Sontheim, erstochen aufgefunden. „Nun hat Bienzle Gelegenheit herauszufinden, ob die Leidenschaften bei den Menschen auf und hinter der Bühne wirklich höher kochen als außerhalb des Opernbetriebs“, heißt es dazu im Presseheft der ARD.

Nichts gegen die Oper an sich, aber das Einzige, was in den 90 Minuten hoch kocht, ist die Geduld des Zuschauers. Die Verdächtigen, allesamt Abhängige des Ermordeten, werden am Nasenring auf- und wieder abgeführt. Zwischendrin sitzen Bienzle und Hannelore in der Markthalle und trinken Schampus. Was Mordmethoden (Requisiten-Messer), Personenkonstellationen (alle Künstler sind neidisch) betrifft, hat Vielschreiber Huby schon glaubwürdigere Stoffe abgeliefert. Lediglich der großartige, traurige Jürgen Tarrach und die Frage, ob zwecks Spannung noch das Phantom der Oper auftaucht, halten einen davon ab, gleich abzuschalten.

Dass der Schwaben- „Tatort“ kein „French Connection“ sein braucht – geschenkt. Ein bisschen mehr Action, Soziales und Charakterzeichnung könnten’s aber schon sein im deutschen Polizeifilm, bei allem Augenzwinkern. Schließlich ist auch Bienzle Bulle. Vielleicht hat Regisseur Dominik Graf Recht, und der „Tatort“ wird immer mehr zum Softformat abgetakelt. Vielleicht will Autor Huby aber auch nur, dass wir länger am Leben bleiben und uns nicht gleich nach jedem „Tatort“ aus dem Fenster stürzen.

„Tatort“, ARD, 20 Uhr 15

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