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Medien: „Big Brother“, lebenslänglich

Endemol hat in Köln ein Dorf gebaut, in das Kandidaten für immer einziehen sollen

Statt Containern hat Endemol für die neue „Big Brother“-Staffel in Köln-Ossendorf ein ganzes Dorf aufgebaut. In der Mitte ein kleiner Marktplatz, ein Kirchturm und lebensnah scheußliche Hausfassaden. Gestern war es erstmals zu besichtigen. In der neuen Staffel müssen die Kandidaten auch richtig arbeiten: auf einem Bauernhof mit echten Tieren, den es im Endemol-Dorf gibt, oder in einer Autowerkstatt oder bei einer Firma, die ein Mode-Label sein soll.

Das Besondere aber ist, dass bei der neuen „Big Brother“-Variante, die am 1. März beginnt, die Kandidaten nie wieder ausziehen: dass sie womöglich ihr Leben in einer Fernsehkulisse verbringen. Das klingt furchtbar, erinnert an den Hollywood-Film „Truman Show“, in dem Jim Carrey einen jungen Mann spielte, der glaubte, ein Angestellter zu sein, aber in Wahrheit der Protagonist einer erfolgreichen täglichen Serie war. Die Welt um ihn herum war ein Fake. Bei „Big Brother“ wissen die Kandidaten, auf was sie sich einlassen. 26 000 haben sich trotzdem beworben – um ein Leben unter permanenter Überwachung von 100 Kameras und 60 Mikrofonen zu führen.

Die Macher hoffen wohl auch auf ein bisschen Empörung, die hat „Big Brother“ erst erfolgreich gemacht. Die erste deutsche „Big Brother“-Ausgabe erschütterte vor fünf Jahren für hundert Tage die Nation, und die Kulturkritiker sahen einmal mehr den Untergang des Abendlandes gekommen. Mittlerweile ist es ruhig um das aus den Niederlanden importierte Format geworden. Wer da im Container etwas mit wem hat, interessiert die breite Masse kaum noch, und auch die Boulevard-Presse bringt keine Fotos mehr von duschenden Kandidatinnen auf den Titelseiten. Und Politiker wie Guido Westerwelle, der den Bewohnern in der zweiten Staffel einen Besuch abstattete und sich ungemein locker gab, wurden auf dem Kölner Produktionsgelände schon lange nicht mehr gesehen. Am kommenden Montag endet für die meisten fast unbemerkt nach einjähriger Laufzeit die fünfte Staffel. Einer der verbliebenen Bewohner darf sich über eine Million Euro Siegprämie freuen.

Doch gleichzeitig etablierte sich eine hartnäckige „Big Brother“-Fangemeinde, die nicht nach Sensationen und Skandalen gierte, sondern den simulierten Alltag wie eine Daily-Soap rezipierte. Was den einen ihre tägliche Dosis „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, war ihnen ihr „Big Brother“. So verfolgten die letzte Staffel allein bei RTL 2 regelmäßig bis zu zwei Millionen Zuschauer in der avisierten Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen. Obwohl da trotz allerlei Beschäftigungstherapien bis hin zu Schikanen der Bewohner durch die Oberspielleiter der Produktionsfirma Endemol eigentlich nichts passierte. Aber die Langeweile hatte im Gegensatz zu den herkömmlichen Soaps den Charme des Authentischen.

„Big Brother – Das Dorf“ soll noch mehr dem wirklichen Leben angeglichen werden, deshalb die Arbeitsstellen. Auch im kleinen Dorf gibt es wieder eine Klassengesellschaft, unterteilt in reiche, normale und arme Bewohner. Leben die Reichen in gehobenem Ikea-Luxus auf 200 Quadratmetern, verströmt das Armen- Domizil mit untapezierten Wänden, verrosteten Rohren, Zinkbadewanne und Kohleherd unverhohlenen Straflager- Charme. Damit Leben ins Dorf kommt, gibt es natürlich auch diesmal wieder diverse Prüfungen zu bestehen, mittels derer sich arme Teufel in den reichen Bereich hocharbeiten können. Katja Hofem-Best, Unterhaltungschefin von RTL 2, nennt die neue „Big Brother“-Staffel „eine Super-Sensation“.

Trotzdem, die elf Kandidaten werden wohl kaum ihr Leben im Fernsehdorf verbringen müssen: Wenn die Zuschauer die Sendung nicht mehr sehen wollen, wird sie abgesetzt. Das ist ganz so wie bei jeder herkömmlichen Daily Soap.

Reinhard Lüke

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