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Sparkurs. Mit der Schließung des US-Ablegers Ende April werden 700 Posten gestrichen. Al Dschasira America war erst im August 2013 in New York gestartet.

© AFP

Billiges Öl. weniger Fernsehen: Al Dschasira verliert dramatisch an Bedeutung

Verblasste Mythen: Der panarabische Sender Al Dschasira kämpft mit Imageverlust und Finanzproblemen.

Al Dschasira, übersetzt „Die Insel“, global agierender arabischer Nachrichtensender, mit vier Konzernzentralen in Katar, Kuala Lumpur, London und Washington, berichtend aus mehr als 60 Ländern, 4500 Mitarbeiter. Die englischsprachige Sender Al Dschasira English erreicht rund 190 Millionen Menschen. Beeindruckende Zahlen. Beeindruckend auch die Zahl der Stellen, die Al Dschasira nun abbauen will. Weltweit sollen 500 Jobs gestrichen werden. Die meisten Posten würden in der Zentrale des Senders in Katar wegfallen, teilte das staatlich finanzierte Unternehmen mit. Mit den Kürzungen wolle der Sender die führende Position und hohe Qualität erhalten - und weiterhin für „unabhängigen Journalismus weltweit“ stehen. Das Emirat Katar, das den Sender finanziert, kämpft mit historisch niedrigen Ölpreisen.

Aber liegt es wirklich nur am Geld? Das mit der Qualität und dem ausgewogenen, unabhängigen Journalismus zumindest wird nicht mehr überall so gesehen. Die Sache mit dem Stellenabbau passt zu der Einschätzung, dem Gefühl, dass Al Dschasira längst nicht so relevant ist wie in den 00er Jahren, als Al Kaida seine Terror-Videos Al Dschasira zuspielte, um größtmögliche Aufmerksamkeit zu erzielen. Damals besaß Al Dschasira als einziger Sender in Kabul ein Redaktionsbüro und versorgte die Weltöffentlichkeit mit Bildern des Krieges, die von westlichen Sendern übernommen wurden. Während des israelischen Angriffs auf Gaza 2008/2009 war Al Dschasira der einzige internationale Sender, der direkt aus Gaza berichtete. Al Dschasira, das ist eine spannende Geschichte von Verdächtigungen, Aktionen gegen den Sender, verhafteten Reportern und exklusiven Bildern. Und heute? Bedient sich die Terror-Miliz IS anderer Medien-Kanäle, vor allem auch Sozialer Netzwerke. Wird von Al Dschasira gesprochen, wenn es um Stellenabbau geht.

Auf dem absteigenden Ast

„Al Dschasira ist in der Tat auf dem absteigenden Ast“, sagt Constantin Schreiber, n-tv-Reporter, Experte für Themen im Nahen und Mittleren Osten. „Das Programm hat mit Journalismus nach unseren Maßstäben immer weniger zu tun. Die Konkurrenz der panarabischen Sender ist inzwischen gewaltig und Al Dschasira als Aushängeschild und Außendarstellung für das kleine Katar schon längst nicht mehr so relevant.“ Der Sender, vornehmlich das arabische Programm habe mit einem massiven Imageverlust zu kämpfen. Der lokale Journalismus in Ägypten oder Tunesien habe an Bedeutung gewonnen, Al Dschasira an Einfluss verloren, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter von Al Dschasira. Glaubwürdigkeit sei das A und 0 eines Nachrichtensenders und die habe Al Dschasira in den vergangenen Jahren eingebüßt, wo der Sender 1996 doch mit dem Anspruch gestartet war, Themen aus verschiedenen Blickwinkeln zu präsentieren; Schrecken vieler autoritären Herrscher der Region.

Auch die Nachrichtenredaktionen von ARD und ZDF beobachten die aktuelle Situation bei Al Dschasira. „Wir haben einen Partnervertrag mit Al Dschasira Arabisch und schauen verwundert den Kürzungen zu“, sagt Elmar Theveßen, Stellvertretender Chefredakteur des ZDF. „Allerdings haben wir schon seit Längerem den Eindruck, dass die arabische Abteilung auf der Selbstsuche ist und in der Kritik steht, insbesondere nach dem Sturz der Muslimbrüder in Ägypten.“ ARD-aktuell hat keine Kooperation mit Al Dschasira. „Unsere Studios haben viele Nachrichtensender und deren Angebote im Blick, so auch Al Dschasira“, sagt ein Sprecher von ARD aktuell. Sollte Al Dschasira über exklusives Bildmaterial von hohem Nachrichtenwert verfügen, würde sich die ARD um dieses bemühen.

US-Dependance wird geschlossen

Solange dieses Material noch angeboten wird. Nach und nach wird Al Dschasira kleiner. Bereits mit der Schließung des US-Ablegers Ende April werden 700 Posten gestrichen. Al Dschasira America war erst im August 2013 in New York gestartet. Für den Ableger warb Al Dschasira renommierte US-Journalisten ab, eröffnete dort Studios. Der Sender ist bis heute nur auf hinteren Programmplätzen zu finden.

Vielleicht verlagert sich das Interesse des Scheichs von Katar ja in eine ganz andere Richtung, weg vom Nachrichtensektor. Genug Geld ist sicher da. Demnächst steht die Vergabe der milliardenschweren Fernsehrechte für die Fußball-Bundesliga an. Branchenkenner erwarten viele internationale Bewerber, darunter Discovery, Amazon oder – die Al-Dschasira-Tochtergesellschaft BeIn Sports.

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