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Medien: „Bis vors Verfassungsgericht“

Ministerpräsidenten wollen ARD und ZDF zum Sparen zwingen

Von Barbara Nolte

Braucht man wirklich mehrere ARD-Klassik-Radiowellen? „Bisher spielen die einen morgens Beethoven und nachmittags Schostakowitsch, die anderen machen es umgekehrt“, sagt Nordrhein-Westfalens Medien-Staatssekretärin Miriam Meckel. „Das ist nicht nachvollziehbar.“

Der Bayerische Staatskanzlei-Chef Erwin Huber findet zwei öffentlich-rechtliche Kulturprogramme im Fernsehen zu viel. „Man muss sich ja nur mal die geringen Einschaltquoten anschauen“, sagt er – und fügt hinzu. „Ich meine das nicht als Vorwurf.“ Trotzdem will er Arte und 3sat zusammenlegen.

Meckel und Huber haben im Namen ihrer Ministerpräsidenten eine ganze Liste erarbeitet, wie die öffentlich-rechtlichen Sender sparen könnten; der Freistaat Sachsen hat sich ihnen angeschlossen. Und so kam am Wochenende in einigen Redaktionen, gestern auch in den Staatskanzleien der übrigen Bundesländer ein so genanntes „Rundfunkstrukturreform“-Papier an, das die Autorennamen Peer Steinbrück (SPD), Edmund Stoiber (CSU) und Georg Milbradt (CDU) trägt. Bei der Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag und Freitag in München soll es diskutiert werden.

Das Papier fällt in die Debatte über die Rundfunkgebühren-Erhöhung für 2005. Eigentlich bestimmt die so genannte KEF, die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs, ob die Deutschen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mehr bezahlen sollen. Erst im Januar legt sie ihre konkrete Empfehlung vor, aber es sickerte bereits durch, dass die KEF den Öffentlich-Rechtlichen 460 Millionen Euro pro Jahr mehr bewilligen will. Pro Haushalt stiegen damit die monatliche Gebühren um 1,07 Euro auf 17,22 Euro.

„In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und sogar rückläufiger Renten“ findet das Bayerns Staatskanzlei-Chef Huber „unannehmbar“. „Die können nicht ständig ihr Programm ausweiten und am Ende die Rechnung präsentieren – und dann schlägt die KEF eine Gebührenerhöhung vor“, sagt Huber. Aber er habe nicht einfach nur „Nein sagen“, sondern „Einsparpotenziale“ ausmachen wollen. So sind die Sparvorschläge zusammengekommen, die nicht bei den teuren Sportrechten ansetzeh, sondern eher bei der Kultur:

– Beim Fernsehen soll, neben der Zusammenlegung von Arte und 3sat, künftig die Verantwortlichkeit für Phoenix und Kika zwischen ARD und ZDF aufgeteilt werden; bislang waren ARD und ZDF gemeinsam für den Parlaments- und den Kinderkanal zuständig.

– Die sechs vorhandenen digitalen TV-Kanäle von ARD und ZDF sollen entfallen.

- Beim Radio sollen die ARD-Rundfunkanstalten nur noch 45 anstatt bislang 61 Programme ausstrahlen; die Klassik- sowie Informationswellen sollen fusioniert werden.

- Was das Personal betrifft, sollen ARD, ZDF und Deutschlandradio innerhalb der kommenden vier Jahre fünf Prozent ihrer Planstellen streichen.

Auch wenn die Aufregung bei den Öffentlich-Rechtlichen groß ist – die Liste ist noch lange nicht umgesetzt, die Nullrunde bei den Gebühren nicht beschlossen. Denn alle Länderparlamente müssen die Rundfunkgebühren genehmigen, und einige fühlen sich jetzt schon überfahren. „Wenn ein Papier zuerst in den Zeitungen steht, bevor es die anderen Länder bekommen, ist das der erste Schritt, eine gute Sache zu beerdigen“, sagt Berlins Senatssprecher Michael Donnermeyer. Auch die Intendanten bringen sich in Stellung. Er sehe „in diesem Sammelsurium unausgegorener und in sich widersprüchlicher Vorschläge den Ausdruck einer verfassungswidrigen und zugleich antiföderalistischen Reglementierungswut“, sagt SWR-Intendant Peter Voß. Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk werde der Gang zum Bundesverfassungsgericht „geradezu aufgenötigt“. Und tatsächlich haben die Sparvorschläge, so vernünftig sie teilweise klingen, einen Haken: Politiker dürfen sich in Deutschland gar nicht ins öffentlich-rechtliche Programm einmischen. Sonst wäre es Staatsrundfunk.

Miriam Meckel gibt sich konfliktbereit. Sie hoffe zwar auf einen Kompromiss. „Aber wenn die Meinungsverschiedenheiten bis vors Bundesverfassungsgericht gehen, muss man das aushalten.“

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