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Trauer und Frustration. Auf Twitter macht die schwarze Community ihrer Bestürzung über den Tod von Walter Scott Luft. Der Hashtag #BlackLivesMatter wird auch in der analogen Welt wahrgenommen. Foto: AFP

© AFP

#BlackTwitter: Hashtags gegen Rassismus

#BlackTwitter ist in den USA zu einer der wichtigsten Bewegungen in den sozialen Medien geworden. Unter diesem Hashtag werden wichtige Debatten auch zur Gleichberechtigung angestoßen.

Es ist ein Video, das nur schwer zu ertragen ist: Der schwarze Familienvater Walter Scott wird von einem weißen Polizisten mehrmals in den Rücken geschossen, bevor dieser ihn dazu auffordert, die Hände auf den Rücken zu nehmen. Von der „New York Times“ am Dienstag veröffentlicht, hat sich die Aufnahme aus dem US-Bundesstaat South Carolina am Mittwoch weltweit verbreitet – der Hashtag #WalterScott wird innerhalb weniger Stunden zum meistgenutzten. Der Aufruhr in den sozialen Netzwerken ist groß, vor allem auf Twitter. „#WalterScotts Erschießung ist entsetzlich. Aber es ist wichtig, dass Brutalität gegenüber schwarzen Menschen sichtbar gemacht wird“, schreibt dort die US-amerikanische Autorin Jamilah King.

Der Fall erinnert an Michael Brown und Eric Garner, deren Tötung durch weiße US-Polizisten ebenfalls lang anhaltende Wellen der Empörung durch die sozialen Medien sendete. Gleichzeitig zeigen die heftigen Reaktionen auf den Tod von Walter Scott einmal mehr: #BlackTwitter – die junge, twitternde afroamerikanische Community – ist in den USA eine der wichtigsten Bewegungen in den sozialen Medien. „Afroamerikanische Social-Media-Nutzer haben sich Plattformen wie Twitter oder Instagram zunutze gemacht und sie in ein Megafon verwandelt“, schreibt das afroamerikanische Online-Magazin „The Root“. Dabei würden zwar auch Insider-Witze ausgetauscht und Reality Shows kommentiert – aber gleichzeitig wichtige Debatten angestoßen, auch zur Gleichberechtigung.

Schwarze Amerikaner sind auf Twitter aktiver als weiße

Die Größe der Bewegung lässt sich mit Zahlen belegen: Eine Studie des Pew Research Centers in Washington D. C. zeigt, dass sich Twitter unter schwarzen US-Amerikanern besonderer Beliebtheit erfreut. Insgesamt 27 Prozent sind bei Twitter aktiv, während es unter den weißen Nutzern in den USA nur 21 Prozent sind. Eine Studie aus dem Jahr 2013 verdeutlicht zudem, dass vor allem junge Schwarze Teil der Bewegung sind. 40 Prozent der 18- bis 29-jährigen Afroamerikaner sind demnach bei Twitter unterwegs. Sie vernetzen sich und schaffen es immer wieder, wirkungsvolle Hashtags zu etablieren.

Einer der bekanntesten Schlagworte der Community ist #BlackLivesMatter. Dieser Hashtag begann seine Verbreitung, nachdem der weiße George Zimmermann vom Vorwurf des Totschlags freigesprochen wurde – er hatte auf Nachbarschaftspatrouille den jungen Schwarzen Trayvon Martin erschossen. Auch nachdem im August in der Kleinstadt Ferguson der unbewaffnete schwarze Jugendliche Michael Brown von einem weißen Polizisten getötet wurde, zeigte sich die Stärke von #BlackTwitter.

Der Hashtag #BlackLivesMatter wurde zu einem Dauerbrenner – und mit ihm #IfTheyGunnedMeDown. Damals postete der schwarze Teenager Tyler Atkins zwei Bilder von sich auf Twitter: Eines zeigt ihn im schwarzen Smoking, mit Saxofon um den Hals. Das andere in Schlabber-Shirt, mit einem blauen Tuch um den Kopf und den Finger auf die Kamera gerichtet. Atkins stellte die Frage: „Wenn ich niedergeschossen worden wäre, welches Bild hätten sie benutzt?“

Der Hashtag #IfTheyGunnedMeDown ist auch eine Kritik an den Medien

Tausende Afroamerikaner taten es ihm unter #IfTheyGunnedMeDown gleich. Sie kritisierten damit, wie die Massenmedien junge schwarze Männer darstellen, die Opfer eines Verbrechens wurden. Oft würden mit diesen Bildern negative Stereotypen befördert. Der schwarze Blogger Zellie Imani meint: „Der Hashtag #IfTheyGunnedMeDown ist immer relevant, weil die Massenmedien weiterhin Verbrecherfotos verwenden, um die schwarze Opferrolle zu kriminalisieren und auszulöschen.“

Meredith Clark weiß viel über die #BlackTwitter-Bewegung. Die junge Wissenschaftlerin hat an der Universität North Carolina ihre Doktorarbeit über das Phänomen geschrieben und veröffentlicht demnächst ein Buch mit dem Titel „The Bombastic Brillance of Black Twitter“. In einem Interview mit einem Bostoner Radiosender machte sie darauf aufmerksam, dass das Phänomen #BlackTwitter und die Teilnahme an der Bewegung nicht exklusiv ist. „Du musst nicht unbedingt schwarz sein, um mitzumachen.“ Clark ist es wichtig zu betonen, dass #BlackTwitter nicht aus Hass geschaffen wurde. „Es wurde geschaffen aus kollektivem Selbstbewusstsein und dem Wunsch, sich mit ähnlich denkenden Menschen zu verbinden.“ 

Gleichzeitig soll selbstverständlich auf Diskriminierung und Alltagsrassismus aufmerksam gemacht werden – beispielsweise unter dem Hashtag #RacismEndedWhen. Dieser bezieht sich auf einen Tweet der Republikanischen Partei, der suggerierte, die US-Bürgerrechtlerin Rosa Parks hätte geholfen, den Rassismus zu beenden. Unter #RacismEndedWhen wurde das Statement tausendfach ironisch auf die Schippe genommen, um zu verdeutlichen, dass Rassismus keineswegs vorbei ist.

Die Beispiele zeigen: #BlackTwitter hat Einfluss – und sei es zunächst nur, die Aufmerksamkeit der Medien und damit der Öffentlichkeit auf ein Thema zu lenken. Während die einen vermuten, dass sich in der Sache trotz aller Kritik auf den sozialen Medien in der Realität wenig ändert, verweisen andere auf Beispiele wie dieses: Als eines der Jury-Mitglieder aus dem Trayvon-Martin-Prozess ein Buch über seine Erlebnisse schreiben wollte, war #BlackTwitter nicht damit einverstanden, dass aus der Tragödie Profit geschlagen werden sollte. Resultat: Das Buchprojekt wurde eingestampft.

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