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Als würde plötzlich das Licht ausgehen: Bei diesem Black-out in New York 2003 fiel der Strom aus. Beim "Black-out" im Netz handelt es sich um eine Protestform, bei der sich Seiten selbst abschalten.

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Blogger-Kolumne: Wie eine Sitzblockade vor der eigenen Garage

Das Internet entwickelt seine eigenen Demonstrationsformen. Eine davon ist der "Black-out": Seiten nehmen sich aus Protest selbst vom Netz. Nun erreicht die Methode Russland.

Was macht politische Macht im Internet aus? In den meisten Staaten dieser Erde sind es die Machthaber, die über Gesetze und Verordnungen Einfluss ausüben – auch auf die Nutzer und Angebotsbetreiber des Internets, sofern sie in ihrem Land sitzen. Denen bleibt oft wenig anderes übrig, als die Kröten zu schlucken. Doch mit dem Heranreifen des Netzes haben sich auch neue Protestformen entwickelt – darunter eine radikale Methode.

Die russischsprachige Wikipedia hat es diese Woche getan: Aus Protest gegen ein neues Gesetz zum Schutz der Bevölkerung, das von Kritikern als Gesetz zu einer nahezu beliebigen Zensur unliebsamer Internetinhalte interpretiert wird, schaltete sie ihre Seiten weitgehend ab. Das Gleiche war schon einmal Anfang des Jahres geschehen, damals protestierte die englischsprachige Ausgabe gegen die US-Gesetzesvorhaben PIPA und SOPA, die geistige Eigentumsrechte im Netz schützen sollen, aber wegen Eingriffen in die Internetfreiheit kritisiert werden. Überlegt wurde auch, auf diese Art gegen Acta zu demonstrieren, allerdings fiel die Politik bereits vorher um.

Die Sitzblockade in der eigenen Garageneinfahrt als Protestform ist überraschend erfolgreich. Und es ist nicht nur die Wikipedia: Auch andere Angebote haben sich an diesen „Blackout-Aktionen“ beteiligt. Vorneweg sind es nichtkommerzielle Angebote im Netz, etwa die Mozilla-Foundation, die für den Browser „Firefox“ verantwortlich ist, oder die Blogplattform „Wordpress“. Sie haben viele Nutzer – und vor allem auch solche, die sich eigentlich nicht für Internetpolitik interessieren. Wikipedia nutzt jeder, ob in Russland, Richmond oder Rudow.

Kommerzielle Seiten gehen einen anderen Weg: Wenn ihnen Gesetzesvorhaben so richtig gar nicht in den Kram passen, weisen sie ihre Nutzer darauf hin. Eines der ersten Unternehmen, das sich einmischte, war Google. Beim Protest gegen SOPA legte die Suchmaschine für US-Nutzer einen großen schwarzen Balken quer über das Logo. Selbst Pornoseiten riefen ihre Nutzer zum Protest auf. Insbesondere letztere, so wird im Netz gemutmaßt, lösen bei den Nutzern Handlungsdruck aus. Denn auch wenn sie angeblich niemand benutzt: Sie gehören zu den Angeboten mit der stärksten Reichweite. Und zwar überall auf der Erde. Sich selbst ganz auszublenden, würde bei kommerziellen Seiten wohl Investoren und Werbekunden auf den Plan rufen.

Noch vor einigen Jahren wären derartige interessenübergreifende Koalitionen kaum vorstellbar gewesen. Die Motive sind äußerst unterschiedlich. Was sie eint, ist der Wille, das Netz nicht von jenen regeln zu lassen, die es oft nicht wirklich verstanden haben – oder, wie mutmaßlich im Falle Russlands, nur allzu gut.

Falk Lüke ist freier Journalist und bloggt unter www.falk-lueke.de über Netzthemen. Er ist Mitgründer der „Digitalen Gesellschaft“, die sich für Netzfreiheit einsetzt.

Falk Lüke

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