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Medien: Boßdorf will gegen NDR klagen

Die ARD-Spitze hält zum Sportkoordinator, plant aber eigene Stasi-Überprüfung

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Der ARD-Sportkoordinator Hagen Boßdorf will die Auflösung seines Vertrags als NDR-Sportchef nicht hinnehmen und gegen den Beschluss des Verwaltungsrats vor Gericht ziehen. Sein Anwalt Peter-Michael Diestel sagte dem Tagesspiegel, dass Boßdorf einen Prozess dazu nutzen wolle, um nachzuweisen, „dass er zu keinem Zeitpunkt IM der Staatssicherheit der DDR war“. Diestel beklagte gestern, dass Boßdorf nicht einmal zu den Vorwürfen Stellung nehmen durfte. „Mein Mandant war am Dienstag in Hamburg, wo der Verwaltungsrat tagte, er stand dem Verwaltungsrat zur Verfügung, um Zweifel auszuräumen.“

Das Gremium fasste seinen Entschluss aber allein auf Grundlage von Akten der Birthler-Behörde, die Hinweise auf eine IM-Tätigkeit Boßdorfs enthalten. Akten übrigens, die die Verwaltungsratsmitglieder in einer Kurzversion schon kannten, als sie am 28. Oktober Boßdorfs Vertrag als Sportchef durchwinkten. Die Aktenlage sei „zunächst nicht eindeutig“ gewesen, rechtfertigte sich die Vorsitzende des Verwaltungsrats, Rosemarie Wilcken, nach der Sitzung vom Dienstag. „Auch jetzt ist eine abschließende Beurteilung schwierig. Da aber nicht alle Zweifel ausgeräumt werden konnten, ist die erforderliche Vertrauensbasis für eine künftige Zusammenarbeit leider nicht gegeben.“

Boßdorfs Anwalt Peter-Michael Diestel äußerte Unverständnis über diese Begründung. „Ich bin sprachlos. Man kann doch nicht einen geschlossenen Vertrag, der bis zum 63. Lebensjahr des Herrn Boßdorf läuft, ohne stichhaltige Gründe auflösen.“ Der NDR, sagte Diestel, habe sich in eine „juristisch aussichtslose Situation“ gebracht.

Als Sportkoordinator darf Boßdorf erst einmal weiterarbeiten. Sein jetziger Vorgesetzter, der ARD-Programmdirektor Günter Struve, distanziert sich von der Entscheidung des NDR-Verwaltungsrates: „Mich erstaunt, dass Restzweifel nach Beurteilung der Aktenlage blieben und dass das Gremium für eine Aufhebung des Arbeitsvertrags von Hagen Boßdorf als NDR-Sportchef gestimmt hat.“ Struve kündigte an, sich dafür einzusetzen, dass Boßdorf weiter Sportkoordinator bleibt; sein Vertrag läuft bis 2007. Auch der ARD-Vorsitzende, BR-Intendant Thomas Gruber, kritisierte die NDR-Entscheidung als vorschnell. „Die ARD hat eine Fürsorgepflicht gegenüber ihrem Mitarbeiter Hagen Boßdorf, der seine fachliche Eignung in den vergangenen 13 Jahren auf verschiedenen Positionen innerhalb des Senderverbundes erfolgreich nachgewiesen hat. Zweifel allein rechtfertigen noch keine personellen Konsequenzen.“

Allerdings will die ARD Boßdorf einer eigenen Stasi-Überprüfung unterziehen. Es wird seine vierte sein. Bereits der Ostdeutsche Rundfunk Brandenburg (ORB), bei dem Boßdorf vor seiner Ernennung als ARD-Sportchef arbeitete, hatte ihn dreimal auf eine mögliche Zusammenarbeit mit dem MfS überprüft. Bei der ersten Überprüfung durch die damalige Gauck- Behörde und eine eigene ORB-Kommission, die alle Mitarbeiter der Potsdamer ARD-Anstalt betraf, deutete nichts auf eine Verstrickung von Boßdorf mit der Stasi hin. Noch vor seiner Berufung zum Fernseh-Chefredakteur hat Boßdorf dann die ORB-Spitze über seinen Wehrdienst im Stasi-Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ informiert. Es kam zur zweiten Überprüfung, die aber ergebnislos blieb. Vor dem Sprung zur ARD-Sportkoordination hat Boßdorf sechs Hierarchen der ARD per Brief vom 20. Januar 2002 Auskunft über seine Kontakte mit der Stasi gegeben. Dieser Brief veranlasste die ORB-Intendanz, Boßdorf erneut vor die hausinterne Prüfkommission bitten zu lassen. Dort kam es zu einem gespaltenen Votum, aber nicht zu der Empfehlung, Boßdorf nicht weiter zu beschäftigen oder auf eine nachrangige Position zu versetzen. Dem Votum der ORB-Prüfkommission schloss sich die ARD an, und Hagen Boßdorf wurde hauptamtlicher Sportkoordinator in München.

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