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Medien: Brigitte et circenses

Nach 16 Tagen Bildungs-TV wird ein Ex-Hollywood-Star Dschungelkönigin.

Okay, noch einmal drei Ekelprüfungen für die finalen Kandidaten im verregneten Dschungel-Camp, wobei die Sache mit den verspeisten Truthahnhoden und dem Straußenanus wieder grenzwertig war. Aber auch da noch mal ein souveräner, ein starker Auftritt von Brigitte Nielsen („Ist das ein Arschloch? Ich esse kein Arschloch, von niemandem … Aber für das Finale will ich es probieren.“). Der Ex-Hollywood-Star wurde nach 16 Tagen am Samstagabend vor 7,4 Millionen Zuschauern bei RTL via Telefonvoting zur Dschungelkönigin gewählt. Sie hat das Camp geprägt wie kein anderer der Kandidaten. Sie ist trashig, sie ist witzig, sie ist hart, sie ist sexy, sie zeigte keine Allüren und gut, am Ende dieses Camps vielleicht etwas Verbissenheit. An dem „Uiuiuiuiui“-Frohsinn und Siegertränen der 48-Jährigen jedenfalls prallten selbst die bei dieser Staffel besonders gehässigen Kommentare der Moderatoren Sonja Zietlow und Dirk Bach ab.

Und über all dem zum Finale noch einmal – eine Mitwisserschaft von zig Millionen Zuschauern, die zu Hause klammheimlich bis Mitternacht vorm Bildschirm saßen. Von wegen Unterschichtenfernsehen. Ein Blick auf die Einschaltquoten belegt: In der Zuschauergruppe mit Abitur oder Studium liegt der durchschnittliche Marktanteil der sechsten Staffel von „Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!“ bei rund 24 Prozent. Das Dschungelcamp ist, anders als zum Beispiel „Deutschland sucht den Superstar“, beileibe kein TV-Phänomen für bildungsferne Schichten.

Das Ziel, Marktanteile von mehr als 30 Prozent in der Zielgruppe zu erzielen, hat RTL wieder locker erreicht. Im Schnitt schalteten inklusive Finale 6,66 Millionen Zuschauer ein, der Marktanteil liegt beim jungen Publikum bei 37,6 Prozent, bei Frauen sogar bei über 40 Prozent. Zwar blieben die starken Vorjahreswerte, als zwischenzeitlich mehr als 50 Prozent der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen der Zicke Sarah Knappik zusahen, unerreicht. Dafür waren die diesjährigen Kandidaten einfach nicht spektakulär genug. Es fehlten genug essenzielle Elemente dieser Form Trash-TV: Lebensbeichten, fiese Seilschaften, Sex. Auch wenn die Zweit- und Drittplatzierten, Kim und Rocco, am letzten Tag da im Camp noch irgendetwas versucht haben sollen, was dann in der von 24 Stunden auf 105 Minuten verdichteten Fernsehfassung/Inszenierung der Schere der RTL-Regie zum Opfer fiel.

Überhaupt, RTL. Es wird Chefin Anke Schäferkordt eine reine Freude sein, auf diesen erstaunlich hohen Marktanteil bei jenen hinzuweisen, die sich sonst über jedes Trash-Format im Privatfernsehen so gerne aufregen, bei jenen, die immer nie hingeschaut haben wollen. Micaela Schäfer? Nie gehört. Jazzy? Nie gesehen. Kim Debkowski? Vincent Raven? Wer ist das?

Man kann sicher weiter über das Dschungelcamp schimpfen und fragen: Wozu dem Publikum geben, was des Publikums ist? Panem et circences? Müssen die alle mal in Behandlung zu Dr. Bob, diesem Arzt im Dschungelcamp? Nur: Wozu diese Scheinheiligkeit? Zum einen: Da gibt es Knöpfe auf der Fernbedienung. Zum anderen kann man RTL nur gratulieren, mit welcher Selbstverständlichkeit dieses Format, das die derbeste Variante des Reality-TV darstellt, Einzug in die deutschen Wohnzimmer gefunden hat.

24 Prozent Marktanteil bei Zuschauern mit Abitur oder Studium, das ist vor allem erstaunlich, wenn man auf die Quoten jener Formate blickt, bei denen man eher diese Zuschauerschicht erwarten würde. Die „Tagesthemen“, die oft direkt gegen das Dschungelcamp antreten mussten, verzeichneten im Ersten einen Marktanteil von 14,2 Prozent in dieser Gruppe. Talkshows wie „Menschen bei Maischberger“ oder „Maybrit Illner“ im ZDF lagen ebenfalls auf diesem Niveau, hinter dem Dschungelcamp. Der Erfolg der RTL-Show zieht sich quer durch die Bevölkerung.

Schön für Brigitte Nielsen, die nun, nach 16 Tagen zeitweiliger Entwürdigung, wirklich jeder kennt. Um die seelische Integrität der Ex-Frau von Sylvester Stallone muss man sich, anders als etwa bei Giulia Siegel vor drei Jahren, wohl keine Sorgen machen. Schön für RTL, das mit der Dschungelshow auch nächstes Jahr wieder all jene Zuschauer erreichen wird, die „Gottschalk live“ im Ersten gerne hätte. Nur bitte mit besser gecasteten Kandidaten.

Und am nächsten Morgen will’s wieder keiner gesehen haben.

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