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Medien: Brutzeln, bis die Pfanne glüht

Die Kochshows nehmen kein Ende: RTL startet „Rach, den Restauranttester“

„Die Kultur hängt von der Kochkunst ab.“ Davon war Oscar Wilde überzeugt. Nach einem Blick ins TV-Programm hätte er heutzutage wahrscheinlich ergänzt: „Und das Fernsehen ganz besonders.“ Denn so viel Kochen gab es im Programm noch nie: Rund 30 Sendungen und ein kompletter Sender, TV Gusto, bemühen sich medial um das leibliche Wohl der Zuschauer. Heute startet auf RTL das nächste Format: „Rach, der Restauranttester“. Laut Produzent Oliver Fuchs von Eyeworks soll das Publikum einen Blick hinter die Kulissen von bislang erfolglosen Restaurants erhalten. Mit dem Sternekoch Christian Rach soll es nach oben gehen. Sein erster Problemfall führt ihn nach Essen. Danach sind unter anderem Berlin und Dresden dran. Dass sich die Zuschauer an derartigen Sendungen nicht sattsehen können, wundert Rach nicht: „Es gibt wohl nichts Elementareres im Leben als essen und kochen. Das betrifft jeden Menschen im Alltag, ob er es kann oder auch nicht.“ Nicht nur für ihn gilt als Urvater des aktuellen Trends Alfred Biolek, der vor über zwölf Jahren den Kochlöffel in „Alfredissimo“ in einer bis dahin ungewohnten Art schwang. „Richtig reich“ sei Biolek dadurch geworden, wie der Moderator unlängst selbst sagte, besonders durch den Verkauf seiner Kochbücher.

In den vergangenen Jahren haben besonders der Brite Jamie Oliver und sein deutsches Pendant Tim Mälzer das Genre geprägt. Diese Rebellen der Kochtöpfe befreiten die Kunst am Herd von den elitären Ritualen der Haute Cuisine und konnten damit eine Klientel erreichen, für die Kochen normalerweise den Griff ins Tiefkühlfach bedeutet. Und das mit einem Mix aus lockeren Sprüchen, Videoclip-Ästhetik und raffinierten Gerichten. Bei RTL 2, wo Jamie Oliver mittlerweile seinen Stammplatz im deutschen Fernsehen gefunden hat, war man anfangs über die Struktur des Publikums überrascht. Denn nicht nur Frauen interessieren sich für die Kochshows: 46 Prozent aller „Hausbesuch“- und 44 Prozent aller „Einsatz am Herd“-Zuschauer sind männlich, ein fast ausgewogenes Verhältnis.

So ausgewogen wie die Beziehung der Meister am Herd mit dem Medium Fernsehen von Anfang an bis heute: „Clemens Wilmenroth bittet zu Tisch“ hieß es 1953 fast zeitgleich mit dem Start des deutschen Fernsehens. Und „Cooks night out“ war die allererste Sendung des Genres. Erfunden und ausgestrahlt von der BBC 1937 in England, einem Land, das bis heute nicht gerade wegen seiner Gourmetkünste berühmt ist. Überhaupt sind Kochsendungen besonders in den USA, Großbritannien und Deutschland erfolgreich. Im Heimatland der kulinarischen Genüsse, Frankreich, scheut man sich offenbar noch vor dem sorglosen medialen Umgang mit dem Allerheiligsten.

In Deutschland blieb die seit den 80er Jahren entwickelte Gourmetküche stets eine Angelegenheit für einen kleinen Teil der Bevölkerung. Das konnte man vom dänischen Koch der „Muppet Show“ nicht sagen. Als Parodie auf die sich mehrenden hochgestochenen Fernsehmeisterköche komponierte er wild gestikulieren und mit einem unverständlichen skandinavischen Akzent die wahnwitzigsten Gerichte zusammen. Heute nimmt die Post-Spaßgesellschaft das Handwerk der Nahrungszubereitung ernster.

„Das hat weniger mit den Rezepten als mit der Idee zu tun“, sagt Medienwissenschaftler Jo Groebel, „die Küche ist in vielen Kulturen der Ort der Heimeligkeit und Kommunikation. Protagonisten wie Jamie Oliver und Tim Mälzer haben in die entsprechenden Formate eine gewisse Unkompliziertheit eingeführt. Man kocht, hat Spaß dabei und unterhält sich beiläufig über unkomplizierte Themen.“ Die aktuellen Küchenshows sind für Groebel eine typisch aktuelle TV-Erscheinung, da jene als „Hybridformen“ aus den unterschiedlichsten Unterhaltungszutaten bestehen: angefangen beim Talk über Quiz bis hin zur Doku-Soap.

Erstaunlich ist: Es gibt noch keine umfassenden Untersuchungen über den Einfluss der Kochshows auf die Zuschauer. Jedenfalls wird in nur einem Drittel aller bundesdeutschen Haushalte noch regelmäßig gekocht, während die Absätze von Fertiggerichten stetig steigen. Trendforscher Peter Wippermann vermutet hinter dieser Entwicklung den eigentlichen Reiz der Fernsehformate: „Da findet etwas statt, was im Alltag immer mehr verschwindet und dadurch einen neuen Wert bekommt.“

„Rach, der Restauranttester“,

RTL, 19 Uhr 05

Wilfried Urbe

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