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Medien: Camp Daniel

Barenboims West-Eastern Divan Orchestra auf Arte

Ein Hotel-Pool, irgendwo in Andalusien. Junge Leute spritzen sich gegenseitig nass. Das könnte sie in ernsthafte Schwierigkeiten bringen – denn einige von ihnen kommen aus Israel, andere aus Syrien. In beiden Nationen sind Kontakte mit Bürgern des jeweils anderen Landes untersagt. Dass sich die Jugendlichen über das Verbot hinwegsetzen, liegt an Daniel Barenboim. Er hat sie angestiftet, alles, was ihnen zu Hause darüber gepredigt wird, auf den Prüfstand zu stellen, die „Feinde“ persönlich kennen zu lernen, ja, gemeinsam mit ihnen zu musizieren.

Nirgendwo arbeiten Menschen derart dicht zusammen wie in einem Sinfonieorchester, nirgendwo hängt das Gelingen so entscheidend davon ab, dass alle Beteiligten aufeinander hören, dass sie mit dem Nebenmann im selben Rhythmus atmen. 80 Musiker sitzen bei den Konzerten des West-Eastern Divan Orchestra auf der Bühne: aus Ägypten, den Palästinensergebieten, Jordanien, Libanon, Syrien, Israel. Eine explosive Mischung, zusammengehalten von der Taktstock-Diplomatie Barenboims. Es war Bernd Kaufmann, der Leiter der europäischen Kulturstadt Weimar, der 1999 die Idee hatte, unter der Leitung des Weltbürgers Barenboim Araber und Israelis zu einem Workshop zusammenzubringen. Nur auf den ersten Blick ein absurdes Unterfangen: Mit Hilfe der Goethe-Institute in Amman, Kairo und Damaskus wurde das Projekt bekannt gemacht, 200 Nachwuchsmusiker bewarben sich. 30 junge Araber wurden ausgewählt, ebenso 30 junge Israelis, um in der Goethe-Stadt gemeinsam Musik zu machen. Als Mentor fungierte neben Barenboim sein Freund, der Schriftsteller Edward Said, ein Palästinenser aus Ägypten.

Als er das erste Mal zu dem Orchesterworkshop fuhr, erzählt ein Teilnehmer, „waren Israelis für mich noch nicht einmal Menschen. Alles, was wir in Jordanien von ihnen wahrnahmen, war das Töten und äußerste Brutalität. Und dann traf ich hier Leute, die dieselben Interessen hatten wie ich und ein relativ ähnliches Leben führten.“

Paul Smacny hat die Begegnung der verfeindeten Welten in einem bewegenden Dokumentarfilm festgehalten, den Arte heute ausstrahlt. Morgen folgt dann als Liveübertragung ein Konzertereignis, das man erst glauben will, wenn der erste Ton tatsächlich erklingt. In Ramallah, im neuen 1800-Plätze-Saal des palästinensischen Kongresszentrums, soll Beethovens fünfte Sinfonie erklingen, gespielt vom West-Eastern Divan Orchestra, dirigiert von Daniel Barenboim. Die spanische Regierung, die seit drei Jahren die sommerliche Probenphase des Ensembles in Sevilla finanziert, hat alle Musiker mit Diplomatenpässen ausgestattet – ob die Grenzposten auf beiden Seiten diesen politischen Trick akzeptieren, wird sich erst am Sonntag zeigen. Wenn es stattfindet, wird das „Friedenskonzert“ auf Arte von Peter Scholl-Latour moderiert.

Frieden – im Nahen Osten ein heikles Wort: Bei einem Interview, das Smaczny für seinen Film mit zwei Musikern geführt hat, äußert der Israeli die Hoffnung, dass die Zeit für einen Frieden bald reif sein werde. Daraufhin springt der Syrer auf und verlässt mit den Worten „Wollten wir hier nicht über Musik reden?!“ den Raum. Immer wieder sieht man in dem 90-minütigen Film die Emotionen hochkochen, unerwartet, aus kleinstem Anlass. Doch Barenboim weiß, wie man so viel hitziges Temperament auf der Bühne in richtige Bahnen lenkt: Bei der Plattenfirma Warner erscheint am Montag der Mitschnitt eines Auftritts des West-Eastern Divan Orchestra aus dem vergangenen Jahr in Genf mit einer hinreißenden, von unglaublicher jugendlicher Energie durchpulsten Interpretation der fünften Symphonie Peter Tschaikowskys. In kürzester Zeit hat der Maestro das heterogene Ensemble auf ein Respekt einflößendes künstlerisches Niveau gebracht. Doch das genügt dem politisch denkenden Maestro natürlich nicht. „Das Ziel ist erst erreicht“, erklärt er in Smacznys Film, „wenn das Orchester in all jenen Ländern auftreten kann, aus denen die jungen Musiker stammen.“

„Wir können nur den Hass verringern“: Arte, 22 Uhr 30; am Sonntag überträgt Arte um 19 Uhr „Daniel Barenboim live aus Ramallah“.

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