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Medien: Campino muss man duzen

„Bild am Sonntag“ hat eine Jugendbeauftragte: die Viva-Redakteurin Christina Del Frate

Von Lena Bodewein

Jeden Dienstag fliegt Christina Del Frate für einen Tag von Köln nach Hamburg, und das nur, weil einmal zwei Männer abends in Hamburg essen waren. Es saßen zusammen: der Chefredakteur einer großen, deutschen Sonntagszeitung und der Vorstandsvorsitzende eines Musiksenders. Der Abend brachte ein konkretes Ergebnis. Es hatte einen komischen n, der die beiden Männer überzeugte, weil er so gar nicht passte:„Viva BamS“. „Das war der Beginn einer einzigartigen Kooperation“, sagt „Bild-am-Sonntag“-Chef Claus Strunz. Das war im November 2000.

Nach neunmonatiger Tragzeit kam am 19. August 2001, also genau vor einem Jahr, zur Musikmesse Popkomm, „Viva BamS“, das Jugendmagazin der „Bild am Sonntag“, zur Welt. Die „BamS“ stellte die Journalisten, „Viva“ die „Zielgruppenkompetenz“. Und damit diese Kompetenz auch nie verloren gehe, bekam es eine Art gute Fee zur Seite gestellt: Christina Del Frate.

„Ich bin die Schnittstelle zwischen ‚Viva’ und der ‚Viva BamS’“, sagt die „Viva“-Redakteurin. Darum fliegt die 27-Jährige immer dienstags nach Hamburg und berät die Kolleginnen von der „BamS“, von denen der Großteil der Texte kommt. Wenn zum Beispiel gefragt wird, ob Udo Lindenberg in die „Viva BamS“ passt – „das ist das klassische Beispiel, der passt nicht.“ Was auch nicht geht: „Dass Campino von den Toten Hosen im gedruckten Interview gesiezt wird.“

Wie wichtig Del Frates Urteil ist, erklärt Chefredakteur Claus Strunz: „Bei der an sich tollen Überschrift über einem Interview mit Missy Elliott – ‚Whitney Houston ist eine Schlampe’ – wissen wir nicht, ob die Zielgruppe mit dem Namen Whitney Houston heute noch was anfangen kann.“ Christina Del Frate muss also entscheiden. Die sagt: „Whitney geht, die kennt die Zielgruppe.“ Strunz ist zwar auch erst 35, ziemlich jung für einen Chefredakteur. Aber zu welcher Generation er gehört, zeigt das Zitat, das in seinem Büro an der Wand hängt. „Ich möcht’ zurück auf die Straße, möcht’ wieder singen, nicht schön, sondern geil und laut. Denn Gold find’ man bekanntlich im Dreck, und Straße sind aus Dreck gebaut.“ Es ist von Marius Müller- Westernhagen. Und Strunz’ Leitspruch, was man wohl nicht allzu wörtlich nehmen darf, denn er will natürlich nicht auf die Straße zurück, sondern Chefredakteur bleiben. Und dazu muss er eine Aufgabe bewältigen, die man ihm, als er den Job übernahm, gegeben hat: Er soll das Blatt verjüngen.

Drei „BamS“-Redakteurinnen kümmern sich um Strunz’ Verjüngungskur. Zusammen mit Christina Del Frate, die, wenn sie nicht in Hamburg in der „BamS“- Redaktion ist, bei „Viva“ darüber entscheidet, welche neuen Clips auf Sendung kommen. Auch das ist praktisch: So kann sie die „Viva BamS“ über Newcomer informieren.

Im Gespräch mit den Frauen zählt sie die Künstler auf, deren Video-Clips bei „Viva“ jetzt in der Rotation gespielt werden: Westbam und Nena – „das ist kultig“ –, Ronan Keating – „mehr so ’ne Up-tempo-Nummer“ –, und die „Band ohne Namen“. „Und Bon Jovi, plant Ihr was mit dem?“, fragt sie noch. Nach dieser ersten Besprechung fährt Christina Del Frate ins Layout im ersten Stock. Sie fischt sich den Layouter Boris Baumann vom Balkon und bespricht mit ihm, welche Bilder zu verwenden sind, wie viel Platz da ist, und welche Gesichter unbedingt zu sehen sein müssen.

Was bringt „Viva BamS“ inhaltlich? Stars. Interviews mit Stars („Wonderwall – Wir würden nie so rumlaufen wie die Girls von Bro’Sis“), Reportagen über Stars („B3 – Wir sind die Könige des Sommers“), Überlebenshilfe-Tipps von Stars („Was tu ich gegen Morgenmuffeligkeit? Beantwortet von Nadja von den No Angels“). Und auf den Seiten stehen Hinweise auf das „Viva“-Programm und die „Viva“-Homepage. Umgekehrt gilt: Wer „Viva“ guckt, dem wird klar gemacht, warum er am Sonntag „Viva BamS“ lesen sollte. Das nennt man Cross-Promotion. Es scheint zu funktionieren: Nach der jüngsten Media-Analyse hat die „BamS“ 120 000 neue Leser zwischen 14 und 19 Jahren dazugewonnen. Und das trotz eines Auflagenrückgangs von 110 000 Exemplaren. Und Viva hatte, der Allensbacher Werbeträger-Analyse zufolge, bei den 14- bis 29-Jährigen im Juli ein Zuschauerplus von 13,4 Prozent.

Mittwochs, wenn Christina Del Frate wieder in Köln ist, guckt sie von dort aus über die „Viva BamS“-Seiten, bevor sie gedruckt werden; ihr Rechner ist an das Redaktionssystem der Zeitung angeschlossen. Wenn sie einen Fehler bemerkt – vertauschte Namen einer Boygroup etwa – ruft sie in Hamburg an. Sie könne sich vorstellen, dass es den „BamS“- Redakteuren am Anfang etwas komisch vorkam, dass jemand von außerhalb sich da einschaltet. Chefredakteur Strunz hat das nie so empfunden. Das liege wohl auch an Christina del Frate, „sie macht nicht den Eindruck, dass sie verschüchtert in der Ecke steht“. Das hat sie auch diesen Dienstag wieder getan. Jetzt kann die gute Fee wieder nach Hause fliegen, das Kind ist versorgt. Und für den einen der beiden Väter, den mit dem Westernhagen-Leitspruch, hat sie noch ein gutes Wort parat: Auch Marius sei noch für die Zielgruppe relevant.

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