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Celebrities: Die Markenbotschafter

Gummibärchen, Würstchen, Banken: Die Werbung setzt immer stärker auf den Promi-Faktor. Das klappt jedoch nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen.

18 Jahre führte er ein Doppelleben. Dann gab Günter Geiermann seinen Job bei der Versicherung Hamburg-Mannheimer auf, und damit seine fiktive Zweitexistenz. Als Herr Kaiser war er seit 1972 der wohl bekannteste Repräsentant der deutschen Versicherungsbranche gewesen – korrekt gekleidet, leicht piefig. Auf Geiermann folgten zwei weitere Schauspieler, insgesamt war die Figur 35 Jahre im Fernsehen präsent. Über ein sympathisches Gesicht sollte sie der Versicherung Glaubwürdigkeit verleihen.

Heute nennt das die Werbebranche ein fiktives Testimonial – eine erfundene Figur, die als Fürsprecher für ein Produkt fungiert. Aber warum erst erfinden? Echte Personen, möglichst prominent und mit einprägsamem Persönlichkeitsprofil, sind in der Werbung äußerst gefragt. Nach Angaben des Marktforschungsunternehmens Imas International ist der Anteil von deutschen TV-Spots mit Stars aus der Mode-, Sport- und Unterhaltungsbranche in den vergangenen 20 Jahren von drei auf 15 Prozent gestiegen.

Im Idealfall wird ein Star, Fachwort „Celebrity“, diesbezüglich länger mit einem bestimmten Produkt assoziiert. Der Anblick von Thomas Gottschalk sollte Lust auf Gummibärchen machen und Jörg Pilawa Heißhunger auf Würstchen auslösen. Werbeerfolg mithilfe bekannter Gesichter folgt keinem simplen Automatismus, behauptet zumindest die Berliner Marketing-Agentur cpi Celebrity Performance. Welcher Prominente welchem Produkt besonders positive Verkaufszahlen beschert, wird über ein in Kooperation mit der Universität Köln und dem Hasso-Plattner-Institut erarbeitetes Ranking-System ermittelt.

„Wissenschaftlich fundiert“ sei die Beratung, weil von Informatikern, Statistikern und Marketingexperten erstellt, sagt Johanna Clary von cpi Celebrity Performance. Schließlich sei das investierte Marketing-Budget „enorm.“ Die Wahl des falschen Werbegesichts könne im schlimmsten Fall negative Auswirkungen auf das Image der Marke haben. Darum müsse gefiltert werden: Welchen Bekanntheitsgrad hat eine Celebrity? Passt er zum Produkt? Für welche Produkte hat er schon geworben?

Zu 1500 Gesichtern der deutschen Promi-Landschaft hat das 2012 gegründete Unternehmen einen „Steckbrief“ mit den wichtigsten Daten angelegt. Clary zufolge ist das Unternehmen neutral und bietet alle nötigen Informationen, welcher Prominente am erfolgversprechendsten für die jeweiligen Kampagnenziele eingesetzt werden kann. Dass Günther Jauch beim Agentur-Ranking der beliebtesten Prominenten an erster Stelle steht – gefolgt von Mario Adorf und Dirk Nowitzki –, garantiert somit noch keiner Firma einen Werbevertrag mit ihm.

Klopp: Der Aufsteiger der Testimonials

Obwohl Jauch sein Gesicht seit dem vergangenen Jahr nicht mehr als Testimonial für die Werbung zur Verfügung steht, wäre er wohl immer noch der erfolgreichste Markenbotschafter in Deutschland.
Obwohl Jauch sein Gesicht seit dem vergangenen Jahr nicht mehr als Testimonial für die Werbung zur Verfügung steht, wäre er wohl immer noch der erfolgreichste Markenbotschafter in Deutschland.

© dapd

Obwohl Jauch sein Gesicht seit dem vergangenen Jahr nicht mehr für Werbung in die Kamera hält, wäre er wohl immer noch der erfolgreichste Markenbotschafter in Deutschland. Das ist das Ergebnis eines Rankings der Agentur cpi Celebrity-Performance. An der Spitze dieses Rankings folgen Jauch die Boxbrüder Vitali und Wladimir Klitschko sowie Hape Kerkeling.

Ein Aufsteiger in der Rangliste der Celebrity Performance ist Jürgen Klopp, Trainer von Borussia Dortmund. Laut Erfolgsindex paaren sich bei ihm hohe Bekanntheit und ein besonders positives Image, das sich aus Komponenten wie Sympathie, Erfolgserwartung und Einzigartigkeit zusammensetzt. Das mit zahlreichen Tabellen gespickte Raster zeichnet ihn als erfolgversprechend für den Verkauf von Sportartikeln, Erfrischungsgetränken und Unterhaltungselektronik aus.

Wegen seines Charismas sei Klopp im Vergleich zu anderen Sportgrößen noch universeller einsetzbar, sagt Philipp Kupfer, Berater des Kölner Marktforschers Sport+Markt. Sportler im Allgemeinen besitzen wegen ihrer Leistung ein positives Image. „Das kommt besonders bei Männern gut an“, sagt Clary.

Ihre Agentur ermittelt alle für den Erfolgsindex relevanten Daten sowohl über Marktforschungsanalysen als auch über die Präsenz der Promis im Internet. Regelmäßig wird die Zahl der positiven und negativen Beiträge und Postings geprüft. Verblüffendes Ergebnis: Auch Celebrities mit hohem Bekanntheitsgrad und negativem Ruf, sogenannte „Attention Performer“, können den Verkaufszahlen gut tun. So bewirbt Boris Becker einen Luxussportwagen – als plappernde Nervensäge auf dem Beifahrersitz, die aussteigen muss.

Ob Testimonials in der Werbung tatsächlich verkaufsfördernd wirken, darüber scheiden sich allerdings die Geister. So ergab eine Umfrage von Imas International, dass der Erfolg einer TV-Werbung durch den Einsatz von Testimonals nicht steigt. Nur 36 Prozent der Befragten erinnern sich an Botschaften mit prominentem Absender besser. 2006 waren es noch 42 Prozent. Als glaubwürdig erachteten nur 15 Prozent diese Werbebotschaften. „Ein Mehrwert kann nur verzeichnet werden, wenn es eine jahrelange Kooperation zwischen Marke und Promi gibt“, sagt Gudrun Klupacek von Imas International.

Je mehr Produkte mit Berühmtheiten werben, desto weniger Aufmerksamkeit ziehen sie auf sich. Die Werbebranche hat reagiert. Nach einem anfangs rasanten Anstieg stagniert die Anzahl der TV-Werbespots mit Celebrities seit 2004.

Jörg Pilawa zumindest, seit 2009 Testimonial eines Wurstherstellers, hat offenbar das Vertrauen der Fernsehzuschauer errungen. Allein im laufenden Jahr habe er ein Absatzplus von acht Prozent generiert. Pilawa und die Wurst – das ist wohl ein gelungenes Celebrity-Marken-Matching. Oder im Alltagsjargon: ein erfolgreiches Team.

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