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Schlicht und komplex zugleich: Die Arte-Reihe beschreibt, warum die „Tim und Struppi“-Comics Kinder genauso ansprechen wie erwachsene Leser. Foto: Arte

© HergŽ/Moulinsart

Comic im TV: Abenteuer Wirklichkeit

Eine Arte-Reihe begibt sich auf die Spuren von „Tim und Struppi“, einer Comic-Reihe mit erstaunlich großem Realitätsbezug.

Nur wenige Comics verbinden Fiktion und Wirklichkeit so meisterhaft wie „Tim und Struppi“, die zwischen 1929 und 1986 veröffentlichten und weltweit erfolgreichen Abenteuergeschichten des Belgiers Georges Rémi alias Hergé. „Tims universale Anziehungskraft hat ihre Wurzeln in der Realität“, schreibt der britische Comicforscher Michael Farr in seinem auf Deutsch bei Carlsen erschienenen Buch „Auf den Spuren von Tim & Struppi“. Und der Literaturkritiker Tom McCarthy beginnt seine jetzt im Blumenbar-Verlag veröffentlichte Analyse „Tim & Struppi und das Geheimnis der Literatur“ mit einem Exkurs über die vielen Realitätsebenen und von der Wirklichkeit inspirierten Charaktere, die in den 23 abgeschlossenen Alben Hergés zu finden sind. Der 1983 gestorbene Comic- Autor, so führt McCarthy aus, strebte zeitlebens danach, „durch Fiktionen eine tiefere Wahrheit hervorzubringen“.

Wie stark und wie zeitlos der Realitätsbezug einer der erfolgreichsten Comicserien der Welt ist, das führt ab heute eine fünfteilige Arte-Reihe eindrucksvoll vor Augen. In Zusammenarbeit mit der Hergé-Stiftung Moulinsart, die den Nachlass des Zeichners verwaltet, haben sich vier Dokumentarfilmer auf die Spuren von Tim und Struppi gemacht und exemplarisch die Handlungsorte von fünf Alben aufgesucht. Herausgekommen ist eine so komplexe wie unterhaltsame Annäherung an den Klassiker und die Inspirationsquellen ihres Schöpfers.

Tim in Tibet. Immer wieder werden in der Dokumentation Comic-Panels und Realfilmszenen kombiniert.
Tim in Tibet. Immer wieder werden in der Dokumentation Comic-Panels und Realfilmszenen kombiniert.

© Arte

In den ersten beiden Folgen spürt Marc Temmerman den Erzählungen „Die Zigarren des Pharaos“ und „Der blaue Lotos“ nach, in denen der junge Reporter Tim und sein vierbeiniger Freund beim Kampf gegen einen Opiumschmugglerring um die halbe Welt reisen. Mit Interviews, dokumentarischen Filmsequenzen und teilanimierten Comic-Panels arbeitet Temmerman heraus, wie Hergé politische, kulturelle und persönliche Einflüsse zu einer zeitlos wirkenden Erzählung verarbeitete. Gespräche mit Historikern und Beduinen, Elefantenbändigern und chinesischen Kunstexperten illustrieren, wie akribisch der Comic-Zeichner sich an realen Vorgaben orientierte.

Als roter Faden dienen hier wie auch in den übrigen Sendungen die Handlungsverläufe der Comic-Alben, die teils mithilfe geschickt eingesetzter Spielfilmsequenzen nacherzählt werden. So führt im dritten Teil Laurent Joffrion vor, wie Hergé durch einen Polizeibericht in der Zeitung und ein paar alte Konservenbüchsen die Initialzündung für das zwischen Brüssel und der Sahara spielende Abenteuer „Die Krabbe mit den goldenen Scheren“ erhielt – eine Erzählung, die Tim unter anderem mit dem alkoholsüchtigen Kapitän Haddock zusammenbringt, der neben Struppi sein zweiter Weggefährte werden sollte. Im vierten Teil von Henri de Gerlache geht es auf den Spuren des Albums „Der Sonnentempel“ unter anderem nach Peru. Und im letzten Teil begibt sich Florence Tran in die unbarmherzigen Gipfelregionen des Himalaja: Hier ließ Hergé seine Hauptfigur in „Tim in Tibet“ nach einem verschollenen Jugendfreund Tschang suchen – welcher wiederum einem wirklichen Freund des Comic-Autors nachempfunden war. Auch hier vermitteln Gespräche mit Mönchen oder Sherpas auf fundierte und doch leicht zugängliche Weise, wie Hergé die Realität als Inspiration nutzte.

Meister der Reduktion. Hergé demonstriert seine Fertigkeit.
Meister der Reduktion. Hergé demonstriert seine Fertigkeit.

© Arte

„Die große Ironie“ der Tim-und-Struppi- Alben, so erklärt Literaturkritiker McCarthy den Erfolg der Reihe, liege eben darin, dass sie „unerreicht in ihrer Komplexität und Tiefe bleiben, zugleich aber auch so schlicht sind, dass sie ein Kind mit der gleichen Anteilnahme wie ein Erwachsener lesen kann.“

„Auf Reisen mit Tim und Struppi“, Arte, Montag bis Freitag, jeweils 19 Uhr 30 - mehr zur Sendereihe unter diesem Link.

Literatur: Michael Farr: „Auf den Spuren von Tim & Struppi“, Carlsen, 305 Seiten, 35 Euro, sowie „Tim & Co“, Carlsen, 128 Seiten, 24,90 Euro. Tom McCarthy: „Tim & Struppi und das Geheimnis der Literatur“, Blumenbar, 254 Seiten, 18,90 Euro.

Und einen Überblick über weitere Tagesspiegel-Artikel zum Thema finden Sie unter diesem Link.

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