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World of Warcraft

© dpa

Computerspiele: Vorsicht, Suchtgefahr

Sie sitzen mehr als zehn Stunden täglich vor dem PC, vereinsamen und gefährden ihren Job. Doch wie kann man "Gameholics" helfen? Experten informierten nun den Bundestag über ihre Erkenntnisse zur Online-Abhängigkeit.

Raphael Gaßmann ist skeptisch. So richtig traut er sich nicht, von Sucht zu sprechen, wenn jemand stundenlang im Internet surft, Online-Games wie „World of Warcraft“ exzessiv spielt oder sich nur noch in Chats bewegt. „Wir ahnen viel, aber wir wissen wenig“, sagt der stellvertretende Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen. Er war einer von sieben Experten, die am Mittwochabend als Sachverständige vor dem Bundestagsausschuss für Kultur und Medien geladen waren, um über das Thema „Onlinesucht“ Auskunft zu geben.

Einig waren sich die Experten, dass die Zahl der Studien, die wirklich etwas über Internetsucht in Deutschland aussagen können, zu gering ist. Aktuelle Zahlen seien letztlich reine Schätzung. Etwa drei bis neun Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 16 und 30 Jahren, die das Internet regelmäßig nutzen, sind onlinesüchtig, vermuten die Experten. Laut einer Studie des Verbandes europäischer Onlinevermarkter (EIAA), auf die in der Anhörung auch Bezug genommen wurde, sollen insgesamt zwei Millionen Deutsche onlinesüchtig sein. Als süchtig wurden Menschen eingestuft, die in ihrer Freizeit täglich mehr als zehn Stunden im Netz surfen. Allerdings sind nicht alle spielsüchtig. 20 Prozent von ihnen sind „chatsüchtig“, das betrifft vor allem Frauen über 30 Jahre. 50 Prozent sind „online-sexsüchtig“, bevorzugt männliche Studenten und Singles.

Eine exakte Definition, wann jemand wirklich süchtig ist, gibt es nicht. Allerdings stimmten die Experten, die aus dem medienwissenschaftlichen, medizinischen und pädagogischen Bereich kamen, darin überein, dass es Merkmale gibt, die einen Rückschluss auf eine Suchtgefahr erlauben: Die Betroffenen vereinsamen. Sie verlieren ihren Job, ziehen sich aus dem Familienleben zurück und kapseln sich von ihrem sozialen Umfeld ab.

Gabriele Farke hatte in der zweistündigen Anhörung die meisten Fragen zu beantworten. Sie sagt selbst von sich, onlinesüchtig gewesen zu sein und hat einen Selbsthilfeverein gegründet. Unter www.onlinesucht.de finden Betroffene Hilfe und Rat. „Es wird Zeit, dass dieses Thema aus der Theorie in die Praxis kommt, denn es gibt schon sehr viele Patienten“, sagt Farke. Eltern und Angehörige würden Rat suchen, weil sie mit dem neuen Phänomen nicht umzugehen wissen. „Eltern berichten davon, dass ihre Kinder sie in Schwitzkasten nehmen oder Möbel demolieren, wenn sie versuchen das Internet abzustellen, damit das Kind vom Rechner wegkommt“, sagte sie.

Professor Hartmut Warkus, Medienpädagoge der Uni Leipzig, erklärte, dass es im Bereich Online-Spielsucht bestimmte Spiele gebe, die „optimale“ Vorrausetzungen für eine Suchtgefahr hätten. „World of Warcraft“ sei eines davon. „Das ist ein 1a-Suchtspiel, weil es auch kein Ende hat“, sagt Warkus. Weltweit spielen das Online-Spiel zehn Millionen Menschen.

Die meisten Experten forderten von der Politik, dass Onlinesucht als offizielle Krankheit bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) anerkannt wird. Außerdem machten sie sich für Warnhinweise auf Spielen stark. Allerdings betonten alle, dass aufgrund der dünnen Forschungslage noch keine wirklichen Rückschlüsse gezogen werden können. So ist unklar, welche Bevölkerungsgruppen wirklich suchtgefährdet sind. Untersuchungen zeigten, dass in Asien vor allem junge, gut gebildete Erwachsene betroffen seien, während es in Deutschland eher jüngere Menschen mit einem niedrigeren Bildungsgrad seien. Das oberste Ziel müsse eine bessere Aufklärung sein. Die Experten forderten, dass Eltern und Lehrer über Onlinesucht besser informiert und weitergebildet werden müssen. Welche konkreten politischen Schritte erwägt werden, ist noch unklar. Eine Diskussion über das Thema wird es aber auf jeden Fall geben.

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