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Medien: Das Haus der lebenden Zoten

Überwachungsfernsehen ohne Schnickschnack: „Big Brother“, die Siebte

Das Botschaft ist simpel: „150 Tage – 12 Bewohner – 1 Haus – 250 000 Euro“. „Back to the roots“, titelt RTL 2. Nach sechs Staffeln und 1142 Tagen „Big Brother“ im deutschen Fernsehen will die holländische Produktionsfirma Endemol ihre umstrittene Fernsehshow, die bislang mit über 110 Staffeln in 41 Ländern lief, auch bei uns wieder auf Sendung schicken. Heute Abend geht es los.

Rückblende: Beim deutschen Sendestart im Februar 2000 war die Hölle los. Das ganze Land diskutierte das Für und Wider einer Sendung, in der einander fremde Menschen in einen Container gesperrt und anschließend rund um die Uhr beobachtet werden. „Wie im Zoo“, klagte die „Frankfurter Rundschau“ damals. Viele sahen „Big Brother“ als Vorboten einer totalitären Medienwelt; „Big Brother“ ist bei George Orwell der Name des allgegenwärtigen Überwachungsstaates. Für RTL 2, den kleinen Sender mit dem Schmuddelimage, bedeutete „Big Brother“ indes einen Marktanteil von fast 40 Prozent in der Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen. Ein arbeitsloser Automechaniker konnte hier verkünden, dass er Shakespeare nicht kennt – und anschließend mit dem Eingeständnis die Charts stürmen. Für die zweite Staffel bewarben sich 70 000 Leute. Die Siegerin brach ihr Studium ab und wurde Moderatorin.

Fünf Jahre und Staffeln später ist „Big Brother“ in puncto Langeweile und Selbstüberschätzung kaum zu überbieten. „Unendlich“ soll die Überwachungsshow laufen, dröhnt RTL 2 zum Start der sechsten Staffel im März 2005, mit einem ganzen Dorf als Spielfläche. Zu sehen sind dann drei Häuschen, die schon nach einem Jahr wieder unbewohnt sind. Mehrfach versucht der Sender, die Show hochzupäppeln, mit immer ausgefalleneren Spielchen, immer freakigeren Teilnehmern. Am Ende aber können auch eine Live-Hochzeit und Besuche zahlreicher X-, Y- und Z-Promis die Sendung nicht vor dem wohlverdienten Quotentod bewahren.

Und heute? „Wir veranstalten ,Big Brother‘ wieder als Fernsehevent“, erklärt Maren Mossig, seit sieben Jahren Sprecherin der Show. Die sechste Staffel habe gezeigt, dass die Zuschauer eine überschaubare Sendezeit bevorzugen, „mit wenigen Kandidaten und einem fixen Schlusspunkt“. Wie schon in der ersten Staffel können die Zuschauer in der Show, die heute beginnt, alle zwei Wochen einen der zwölf Teilnehmer per Telefon aus dem Haus wählen. Nur im Februar fliegt noch keiner raus. „Welpenschutz“, erklärt Mossig. Ein lustiges Wort. Es sagt viel über die Meinung, die die „Big Brother“-Macher von ihrer Sendung und ihren Teilnehmern haben. Zu sehen ist das Ganze a) allabendlich um 19 Uhr bei RTL 2 in der Zusammenfassung oder b) rund um die Uhr für 15 Euro monatlich auf einem Premiere-Kanal. Mossig verspricht, dass es dieses Mal „nur wenig Input von außen“ geben wird. Anscheinend hat man in Köln verstanden, dass der Reiz des Voyeurismus mit dem Anstieg der Inszenierung abnimmt. Selbst das Fernsehprekariat zappt weg, wenn der eigene Lebensstil zwischen Wadentattoo und blondierter Tolle allzu offensichtlich ins Lächerliche gezogen wird. Die neue Staffel sei „Fernsehen für die ganze Familie“, sagt Mossig, was wohl heißt, dass beim Casting nicht mehr allein die Kategorie „brünstiger Single“ entscheidend war. Die Teilnehmer im Alter von 19 bis 34 seien „unterschiedlichster Couleur“.

Wie familienfreundlich unterschiedliche Couleurs miteinander umgehen können, wenn sie zusammengepfercht im Fernsehcontainer aufeinander hocken, konnten im Januar die Zuschauer der britischen „Big Brother“-Show sehen. Die indische Bollywood-Schauspielerin Shilpa Shetty wurde dort von anderen Insassen wiederholt rassistisch beleidigt.

„Big Brother“, Start der siebten Staffel, RTL 2, 21 Uhr 15

Marc Felix Serrao

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