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Medien: „Das Klima ist verrückter als das Wetter“

Herr Kachelmann, was sind „schlürfende Winde“? Wenn ich das wüsste.

Herr Kachelmann, was sind „schlürfende Winde“?

Wenn ich das wüsste. Diese Formulierung stammt so wenig von mir wie die „Blumenkohlwolken“, obwohl mir das immer wieder nachgesagt wird.

Haben Sie überhaupt jemals etwas erfunden?

Aber ja, den Begriff „SWF3-Land“ zum Beispiel. Außerdem kann ich nicht ausschließen, der Erfinder des Wortes „motzelbärig“ zu sein.

„Der Himmel über Berlin“ stammt aber nicht zufällig von Ihnen?

Leider nein. Ich wollte immer Wim Wenders fragen, ob ich das benutzen dürfte, aber leider ist es dazu nie gekommen.

Womit wir beim Thema wären: Was ist Klima?

Meine Oma hat viele Jahre lang in Berlin in der Hoeppnerstraße 171 gewohnt. Die Älteren haben in dieser Straße gern mit einem Kissen unter den Armen aus dem Fenster geschaut. Wenn diese Menschen das über dreißig Jahre lang tun, dann erleben sie Klima. Wer nur mal kurz aus dem Fenster guckt, der erlebt Wetter. Wenn jemand eine Woche lang aus dem Fenster hängt, der erlebt Witterung.

Können Sie uns sagen, wann die Klimakatastrophe kommt?

Das weiß niemand so ganz genau. Nicht einmal, in welchem Ausmaß sie überhaupt kommt.

Da weiß die Uno aber mehr als Sie.

Aber ob’s eine Katastrophe wird und wie schnell es gehen wird, das weiß auch die Uno nicht. Was wir erleben, ist ein großes Experiment, was wir nicht machen sollten. Was wir da tun, also die CO2-Anreicherung der Atmosphäre, hat es so noch nie gegeben. Man weiß zwar, dass erhöhter CO2-Ausstoß die Erdatmosphäre erwärmt. Aber man weiß nicht, welche Beschleunigungs- und Rückkoppelmechanismen alles langsamer, anders und viel schlimmer machen können. Es könnte bei uns in Europa auch kälter werden und nicht immer nur wärmer, wenn’s dem Golfstrom schlecht geht. Es ist auf alle Fälle ein Experiment mit tendenziell unangenehmem Ausgang.

Gibt es auch Klimagewinnler?

Egoistisch gesehen sicher. Die Menschen in Kanada oder Alaska haben es öfter nicht mehr so frisch, auch wird manchen dort das Schicksal der eislosen Eisbären verschmerzbar erscheinen. Auch bei uns wird es sicher Menschen geben, die sich über heiße Sommer freuen.

Es wird wärmer, das steht fest: Was sagt der Wetterfrosch dazu?

Sie fragen den Falschen. Ich bin kein Klimaforscher. Ich kümmere mich nur ums Wetter, ich blicke immer nur zwei Wochen voraus. Ob ein Tornado aus Gründen des Klimawandels entstanden ist oder nicht, das muss uns wurscht sein. Unsere Aufgabe als Wetterfrösche ist es, rechtzeitig vor dem Tornado zu warnen.

Sind alle Menschen auf der Erde gleich vom Klimawandel betroffen?

Nein, wir müssen global denken. Viele Industrieländer können sich mit höheren Deichen gegen steigende Pegel behelfen, kleine Inseln nicht. Wir müssen global solidarisch denken.

Zurück zum Wetterfrosch. Mit winterlichem Wetter scheint es nichts mehr zu werden.

Täuschen Sie sich nicht. Es ist ja vor kurzem, wie lange vorher angekündigt, noch mal richtig kalt geworden. Dann sagen die Leute wieder, also doch, das Klima spielt verrückt. Aber nur, weil sie sich an das warme Wetter gewöhnt haben und einfach nicht wahrhaben wollen, dass es auch anders kommen kann. Wenn im April Deutschland noch unter einer Schneedecke zittern sollte und der Sommer in diesem Jahr erbärmlich kalt würde, was durchaus passieren kann, dann glauben sicher viele, jetzt sei das Ende nah. Das muss aber durchaus nicht so sein.

Mit anderen Worten: Nicht das Klima, sondern nur das Wetter spielt verrückt.

Das Klima ist verrückter als das Wetter. Es gibt schon einen statistisch signifikanten Trend zu höheren Temperaturen – auch im Winter. Die Erwärmung ist sicher kein Zufall. Was wir aber nicht wissen, ist, wie dieser Prozess verlaufen wird. Der Treibhauseffekt bedeutet mehr Energie im System. Und diese Energie kann mehr extreme Dinge tun, durchaus auch mal nach unten.

Wäre es nicht eine gute Geschäftsidee, Ihren Wetterbericht um einen Klimabericht oder wenigstens um die aktuellen CO2-Daten zu ergänzen?

Das wäre in der Kürze der Zeit kaum zu lösen. Aber wir überlegen uns gerade, ob wir bei unwetterzentrale.de ein Hitzewarntool einrichten sollten. Ich bin zwar der Meinung, dass jeder weiß, dass es heiß wird, wenn wir für den nächsten Tag vierzig Grad ankündigen. Aber ich habe gelernt, dass manche Menschen trotzdem spezifisch gewarnt werden wollen.

Heißt: Es wird wieder richtig Sommer?

Sie werden es spätestens in den „Tagesthemen“ beim 15-Tage-Trend erfahren.

Können wir das Wetter überhaupt noch ernst nehmen bei all diesen Kapriolen?

Ich jedenfalls nehme es sehr ernst. Und ich glaube, dass es jeder ernst nehmen sollte. Es können noch ganz viele Wetterdinge passieren, auch wenn es im März schon zwanzig Grad warm war. Das gilt auch umgekehrt. Wenn jemand nach einem verregneten und kalten Sommer, den wir jederzeit bekommen können, denken sollte, das mit der Klimaerwärmung sei reine Erfindung, dann täuscht er sich gewaltig.

Was ist für Sie das schönste Wetter?

Grobes Wetter. Kürzlich war ich auf einem Kongress in Los Angeles. Dort habe ich einen Erdbebenforscher getroffen, der samt Familie nach Los Angeles gezogen ist, weil es dort statistisch gesehen in der nächsten Zeit ein großes Beben geben soll. Er kann sich nicht vorstellen, nicht vor Ort zu sein. Ich möchte wenigstens einmal in meinem Leben einen Tornado live erleben. Nichts ist schlimmer als dauerhaft blauer Himmel. Das empfinde ich als persönliche Beleidigung.

Kann Sie das Wetter noch überraschen?

Das wäre ein wenig grotesk.

Das Interview führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

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