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Aus der Fankurve heraus. Volker Weidermann, 45, „Spiegel“-Redakteur, moderiert im ZDF eine Neuausgabe der legendären Kritikerrunde, bekannt mit Marcel Reich-Ranicki.

© picture alliance / dpa

Das literarische Quartett: Die Freuden des jungen W.

Vier Bücher, vier Menschen, aber nur noch 45 Minuten: Das neue „Literarische Quartett“ und sein Moderator Volker Weidermann.

Ja, er hätte jetzt schon ein bisschen Lampenfieber, es sei schließlich das erste Mal, dass Volker Weidermann, der Literaturkritiker, als Moderator vor die Fernsehkamera tritt. Und ja, Marcel Reich-Ranicki (kurz: MRR) sei unerreicht, den brauche man erst gar nicht versuchen zu kopieren. Am besten, seine Mitstreiter Maxim Biller, Christine Westermann und er, Volker Weidermann, bleiben sich treu – bei der Neuauflage des „Literarischen Quartetts“ im ZDF.

Von wegen Kopie. Braungebrannt, verstrubbeltes Haar, ein Mitvierziger, der jünger aussieht – Verwechslungsgefahr mit Marcel Reich-Ranicki besteht bei Volker Weidermann, seit Kurzem im Hauptjob Literaturchef des „Spiegel“, beileibe nicht. Als Reich-Ranicki im März 1988 das „Literarische Quartett“ aus der Taufe hob, verfolgte der in Darmstadt geborene Germanistikstudent die Sendung noch aus der Fankurve. „Ich habe sie verschlungen, schaue sie mir auch heute noch mit Begeisterung an.“ Mit Reich-Ranicki sei Weidermann dann später im Laufe seiner zwölf Jahre als Feuilleton-Redakteur und Leiter bei der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (vorher arbeitete Weidermann bei der „taz“, Frank Schirrmacher hat ihn entdeckt) mehrmals zusammengekommen.

Da wäre dem ZDF mehr Mut und Sendezeit zu wünschen gewesen

Dass Weidermann 2015 im Fernsehen Nachfolger des vor zwei Jahren verstorbenen bedeutendsten deutschsprachigen Literaturkritikers werden könnte, war da natürlich noch nicht abzusehen. Zwischen beiden offenbar kein Wort darüber, dass Reich-Ranicki sich Weidermann als Nachfolger beim Quartett hätte vorstellen können. Die Zeiten für eine ausgeruhte Literatursendung im Dauerberieselungsmedium Fernsehen sind auch etwas schwieriger geworden. Das neue „Literarische Quartett“ hat nur noch 45 Minuten, 30 Minuten weniger als Reich-Ranicki, Karasek & Co.

Ob man in der Zeit, kritisch genug, über vier Bücher auch in die Tiefe gehen könne? Da lässt sich einwenden: vier Bücher, vier Menschen, 45 Minuten, bleiben abzüglich der Inhaltsangabe vielleicht acht Minuten gemeinsame Diskussion für jedes Buch. Da wäre dem ZDF am späten Freitag Abend mehr Mut und Sendezeit zu wünschen gewesen. Weidermann überlegt. Man spürt, ansonsten stellt er für sein Magazin die Fragen, nun wird er erstmals durch einen ansehnlichen Interview-Marathon im ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin geschleust. Nein, es sei schon der Anspruch, deutlich über Klappentext-Niveau hinauszukommen.

Christine Westermann kannte er noch nicht persönlich

Bei der Probesendung hätte Weidermann jedenfalls nicht das Gefühl gehabt, dass irgendein Buch oder ein Kollege/Kritiker zu kurz kam. Aber was soll er auch sagen. Das Stichwort: seine neuen Kollegen. Als vor ein paar Wochen die Besetzungsliste fürs neue „Literarische Quartett“ herausgegeben wurde, gab es schon ein leichtes Stirnrunzeln in der Branche. Es gibt viele Neider. Mit dem streitbaren Schriftsteller und Kolumnisten Maxim Biller hatte Weidermann schon ein paar Mal zu tun. Christine Westermann kannte er noch nicht persönlich. Es ist auch nur schwer vorstellbar, dass sich Weidermann Westermanns Unterhaltungssendung „Zimmer frei“ am Sonntagabend im WDR anschaut und dafür die neue Biografie der Familie um Thomas Mann aus der Hand legt.

Erster Gastkritiker am 2. Oktober, ab 23 Uhr, ist Juli Zeh; aufgezeichnet wird im Foyer des Berliner Ensembles. Geplant sind sechs Sendungen im Jahr. Das Lampenfieber dürfte dann noch größer sein als an diesem Mittwochvormittag, wo es sich mit Weidermann noch trefflich über schlechte und gute Gegenwartsliteratur (Houellebecq!), Lieblingsbuch („Der Zauberberg“) und Rollenverteilung in der Kritikerrunde plaudern lässt. Weidermann, der Milde, Vermittelnde, Biller, der Streithansel und Provokant, Westermann, die Frau für die breite Zuschauermasse?

Auf solche Rollenverteilung möchte sich der Moderator gar nicht festlegen lassen. „Ich arbeite mich da nicht an Vorgaben ab. Ich freue mich auf die Herausforderung.“ Und was den Unterhaltungsfaktor, das Entertainment betrifft – Weidermann habe vor, sich in den nächsten Tagen mit Hellmuth Karasek zu treffen, Reich-Ranickis Pendant aus insgesamt 77 Sendungen „Literarisches Quartett“, 13 Jahre lang, bis 2001. Die Messlatte liegt hoch.

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