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Medien: Das Mikrofon ist nur geborgt

Anti-Bush-Protest und Al-Qaida-Prozess: Wie Al Dschasira aus Berlin berichtet

Von Carina Frey

und Felix Lee

Aktham Suliman ist Fernsehjournalist, aber er hat kein Büro, keinen Kameramann und keinen Schnittplatz. Ton-Angel, Mikrofon und Kamera leiht er sich bei seinen Kollegen vom ZDF. Klingt erstmal so, als wäre Suliman nicht besonders erfolgreich, was aber nicht stimmt. Wenn er auf Sendung ist, sehen viele Millionen Zuschauer in Syrien, Jordanien oder Saudi-Arabien zu; wenn er zum Beispiel über den Al-Qaida Prozessauftakt in Hamburg berichtet, über Demonstrationen gegen den US-Präsidenten Bush oder die Wahl des Bundeskanzlers. Seine Berichte laufen auf Al Dschasira, für den arabischen Nachrichtensender ist Aktham Suliman Deutschland- Korrespondent.

Al Dschasira: Das ist der Sender, der von Osama Bin Laden und vom Afghanistan-Krieg so profitiert hat wie CNN vom Golfkrieg. Seine Journalisten waren die einzigen, die die Taliban nicht des Landes verwiesen hatten, als die US-Luftwaffe Kabul zu bombardieren begann. Die ganze Welt kaufte die Al-Dschasira-Bilder, die ganze arabische Welt folgte der Berichterstattung des Senders aus dem Emirat Katar. Al Dschasira traf beim Krieg in Afghanistan den Ton vieler Araber, denn der ist beim arabischen Nachrichtensender ein wenig anders als bei der BBC oder CNN.

Al Dschasira versuche, möglichst neutral zu berichten, sagt Suliman. Er spricht von „sprachlichen Feinheiten“, die anders seien. Zum Beispiel heißen Selbstmordattentäter „Märtyrer“, Anschläge werden als „so genannter Terrorismus" bezeichnet. Suliman kann damit leben. „Wir sagen ja nicht, dass es kein Terrorismus ist, aber es gibt eben noch keine allgemein anerkannte Definition."

Bei der Berichterstattung aus Deutschland hat der Korrespondent überwiegend freie Hand. „Wir müssen natürlich Rücksicht nehmen auf die kulturellen Gepflogenheiten und die Gefühle unserer Zuschauer", sagt Suliman. Bei der Themenwahl denkt er an seine arabischen Zuschauer. Aber: „Es gibt Themen, die vor allem mich interessieren". Zum Beispiel schwebt ihm eine ausführliche Reportage über Berlin vor. Eine Stunde lang möchte er über die ehemalige Mauer, die verschiedenen Ampelmännchen in Ost und West und die historischen Plätze berichten. Aber ob sich ein Zuschauer in Kuwait wirklich für Ampelmännchen interessiert?

Als die irakische Botschaft in Berlin von irakischen Oppositionellen besetzt wurde, kam dann doch mal ein Anruf aus Katar: Suliman sollte sofort zur Botschaft. Er interviewte die Geiselnehmer. „Die Informationen über die Tat gab es zwar auch über die Presseagenturen, aber Al Dschasira will, dass der eigene Korrespondent vor Ort aus arabischer Sicht berichtet“, sagt Suliman.

Erst seit Anfang des Jahres hat Al Dschasira einen Korrespondenten in Berlin, eben Suliman. Geboren in Damaskus, kam er 1989 nach Berlin und studierte Publizistik, Politologie und Islamwissenschaften. Schon damals arbeitete er nebenbei als Journalist beim Uni-Radio. Er schrieb auch für eine deutsch-arabische Zeitung und berichtete als Korrespondent für Abu Dhabi TV. 1998 wechselte er zum Arabischen Dienst der Deutschen Welle. „Ich bin Syrer und lebe schon lange in Deutschland. Ich wollte meine Biografie ins Berufsleben einbringen, ein bisschen auf beiden Seiten agieren“, sagt Suliman.

Bis Ende des Jahres soll der Journalist in Berlin ein Büro für Al Dschasira aufbauen. Deutschland, erklärt er, werde für seinen Sender immer wichtiger. Besonders seit Bundeskanzler Schröder öffentlich einen Kriegseinsatz gegen den Irak abgelehnt habe. „Natürlich sind Washington, Peking, Moskau auch wichtig. Aber in diesem Zusammenhang ist Deutschland wichtiger geworden als Paris." Suliman sucht nach repräsentativen Büroräumen. „Daran wird der Wert des Senders festgemacht“, sagt er. „Außerdem brauchen wir einen Sitz, wo Leute zu geregelten Arbeitszeiten ansprechbar sind und Termine vereinbaren können.“

Auf eines muss Suliman aufpassen: Nach zwölf Jahren in Deutschland hat er ein wenig das Gefühl für die arabische Sprache verloren. Deshalb liest Suliman arabische Zeitungen, schreibt und spricht immer wieder Arabisch. „Sonst entstehen sprachliche Schwächen." Einmal lag er bei einem Bericht völlig daneben. Er benutzte das deutsche Sprichwort: Vor lauter Bäumen den Wald nicht sehen. „Ich finde das sehr schön, aber als ich es ins Arabische übersetzte, merkte ich plötzlich, dass es gar keinen Sinn ergibt. Wahrscheinlich liegt es daran, dass es in der arabischen Welt so wenige Wälder gibt."

Carina Frey, Felix Lee

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