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Medien: „Das Publikum mag es nicht, wenn zugespitzt wird“

Klaus Bresser, Moderator von „Talk in Berlin“, über Kuschelrunden, Christiansen und das Comeback von Friedman

Vor einem Jahr traten Sie bei ntv den „Talk in Berlin“ mit dem Anspruch an, den harten Polit-Talk zu pflegen. Haben Sie Ihren eigenen Anspruch erfüllt?

Ich glaube, ja. Wir haben Politik aufzuklären versucht, und zwar in klaren, erkennbaren Kontroversen. Immer geht es um ein Thema, nicht um viele wie anderswo. Wir haben meist nur vier Gäste, das ermöglicht intensive Gespräche. Sie dürfen nicht vergessen, dass eine Gesprächssendung von den Beteiligten lebt und nicht dem Prinzip eines Verhörs folgt. Der Moderator ist mehr Dompteur als Staatsanwalt.

Muss ein Moderator deshalb so moderat sein?

Vielleicht hab ich mich anfangs getäuscht und bin zu sehr von meiner Rolle bei „Was nun …?“ ausgegangen. Da ging es ums harte Nachfragen. Bei „Talk in Berlin“ muss der Gastgeber verschiedene Gäste zusammenführen und da nachhaken , wo etwas unklar wird oder jemand abschweift.

Woher kommt eigentlich diese gewisse Steifheit, die Sie vor der Kamera demonstrieren?

Ist das so? Wenn Sie das so sehen wollen – vielleicht kommt es daher, dass ich Erich Böhmes alten Stuhl übernommen habe.

Böhme versank immer im Stuhl …

Deshalb hat er die Rückenlehne steiler stellen lassen.

Jemand, der mit viel Körpereinsatz agierte, war Michel Friedman. Vermissen Sie die Farbe Friedman in der Talklandschaft?

Ja.

Sehen Sie jemanden, der das Zeug hätte, ihn zu ersetzen?

Nein. Friedman ist eine singuläre Erscheinung. Und ich bin mir sicher, dass irgendein Sender – vielleicht nicht die ARD – ihn auf den Schirm zurückholen wird. Dann wird er den moralischen Zeigefinger nicht mehr so hoch heben können, aber ich rechne damit: Friedman wird zurückkehren.

Sie gehören einer aussterbenden Art an. Als einziger Mann führen Sie durch eine politische Talkshow mit mehreren Gästen. Wie haben Sie die Diskussion über die angeblich so mächtigen Medienfrauen aufgenommen?

In der Tat als Sommerspaß. Frauen sind nicht besser oder schlechter als Männer. Ich wollte Maybrit Illner für „Berlin Mitte“, weil sie einfach von allen denkbaren Kandidaten die Beste dafür war. Es ist auffällig, dass die Kuscheltalks von Männern wie Beckmann und Kerner und die härteren politischen Talks von Frauen wie Christiansen, Illner und Maischberger geführt werden. Vielleicht interessieren sich Frauen einfach mehr und fassen mehr nach. Vielleicht haben sich die Verantwortlichen in den Sendern auch gedacht: Politik ist nicht immer prickelnd, mit Frauen wird sie attraktiver. Da kriegt der Begriff „Quotenfrau“ einen ganz neuen Sinn.

Finden Sie, im Journalismus haben Meinungslust und Mut zur Polarisierung abgenommen?

Der politische Journalismus ist handzahm geworden, ja.

Woran liegt es?

Der Verzicht ist ein freiwilliger. Journalisten sind ein Teil der Gesellschaft. Und die Gesellschaft ist insgesamt weniger auf Kontroverse aus als früher. Wir hören es doch täglich: Die notwendigen Reformen im Wirtschafts- und Sozialsystem sind so umwälzend, dass sie nur im Konsens geschafft werden können. Keine leichte Zeit für kritische Journalisten.

Muss man deshalb langweiligen Journalismus in Kauf nehmen?

Nein. Aber denken Sie an die Rudi-Völler-Debatte. Die meisten finden es völlig in Ordnung, dass der mal auf die Kritiker eingehauen hat. Das Publikum mag es nicht, wenn zugespitzt wird. Sie müssen sich bloß mal anhören, wie ein Journalist beurteilt wird, der einem Politiker zum dritten Mal dieselbe Frage stellt, weil der partout nicht antwortet. Die Gesellschaft mag nicht mehr obrigkeitshörig sein, aber dafür ist sie autoritätsgläubig. Als Journalist muss ich das wissen, um es zu ändern.

Das Gespräch führte Ulrike Simon.

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