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Medien: "Das rote Quadrat": Wer verstehen will, muss sehen

Bilder zeigen etwas, sie erklären nichts. Darin liegt ihr höchst missbrauchbarer Vorzug.

Bilder zeigen etwas, sie erklären nichts. Darin liegt ihr höchst missbrauchbarer Vorzug. Wie Anschauung und Denken zusammenbringen? Der Hessische Rundfunk versucht es mit seiner dreiteiligen Sendung "Das rote Quadrat" (ab heute, 21 Uhr 45 im Ersten). Die Sendereihe will vor allem eines zeigen: Hinter der Sekundensequenz des sensationellen Nachrichtenbildes verbergen sich verwickelte Geschichten, die nicht einkürzbar sind, ohne an Wahrheitsgehalt zu verlieren. Im ersten Teil wird der Absturz einer Boeing 767 der Ethiopian Airlines 1996 vor der Küste der Komoren rekonstruiert. Den Versuch vor einem Badestrand notzulanden, hielt eine Touristin mit der Videokamera fest. Die Sekunden der misslingenden Notwasserung gehören zu den Ikonen fernsehtauglicher Katastrophen. Aber wie kam es, dass die Maschine hier herunterging?

Thomas und Rena Giefer haben aufwendig und gründlich recherchiert. So viele Facetten wie nur möglich wollten sie aufzeigen. Und im Fortgang der Recherche passiert etwas eigentlich völlig Normales, an das wir nur nicht mehr gewöhnt sind: Es wird unübersichtlich. Alles scheint möglich, aber nichts ist gewiss. Die Maschine wird entführt und soll nach dem Willen der afghanischen Entführer nach Australien fliegen. Das Flugzeug hat nicht genug Treibstoff. Nur 50 von 180 Passagieren überleben. Aber die Passagierliste macht stutzig. Iraelische Militärexperten und ukrainische Waffenhändler sind an Bord. Die afghanischen MIG-Jagdflugzeuge sollen modernisiert werden. Mit dem Absturz hat sich das Waffengeschäft dann erledigt. Doch das ist auch keine Antwort, sondern nur eine von vielen Fragen, die sich stellen, blickt man genauer hin. Es geht aber nicht allein um Spekulationen über die Hintergründe der Entführung. Überlebende beschreiben, wie durch den Absturz für sie alles anders wurde. Wer hinauskommt und wer ertrinkt, hängt auch vom Platz ab, auf dem man zufällig sitzt.

Wie hier Sensationen heruntergefahren werden auf die hinter ihnen trotzdem weiter andauernde Problematik, erscheint wohltuend. Es wird bewusst unspektakulär und ohne Eile erzählt, und trotzdem erweitert die Sendung jenes Gesichtsfeld wieder, das durch ein kommerzialisiertes Fernsehen selbst eingeengt wurde.

Gunnar Decker

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