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Medien: „Das trifft die BBC im Kern“

Der Vorsitzende des Netzwerks Recherche über die eiserne Regel des Informantenschutzes

Pressekodex: Ziffer 5

„Die vereinbarte Vertraulichkeit ist grundsätzlich zu wahren.

Hat der Informant die Verwertung seiner Mitteilung davon abhängig gemacht, dass er als Quelle unerkennbar oder ungefährdet bleibt, so ist diese Bedingung zu respektieren. Vertraulichkeit kann nur dann nicht bindend sein, wenn die Information ein Verbrechen betrifft und die Pflicht zur Anzeige besteht. Vertraulichkeit muss nicht gewahrt werden, wenn bei sorgfältiger Güter und Interessenabwägung gewichtige staatspolitische Gründe überwiegen …“ Wenn einmal gegen diese eiserne Regel des Informantenschutzes verstoßen wird, sind Tür und Tor offen. Damit würde der ohnehin in Deutschland nicht hart praktizierte Informantenschutz weiter löchrig.

Der Pressekodex regelt doch alles klar.

Da steht drin, dass es zu „respektieren“ ist, wenn der Informant als Quelle unerkennbar bleiben will. „Respektieren“ – das ist sehr weich, sehr defensiv formuliert. Ich vertrete dagegen eine sehr harte Linie. Denn das Bisschen, was recherchiert wird, kommt nur durch gute Quellen zustande, sehr selten durch Investigation. Und diese Quellen werden heute schärfer denn je verfolgt oder blockiert.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Etwa die Akte im Fall des NPD-Verbots. Da wurden sämtliche Ausleiher aus dem Apparat der Innenministerien registriert. Keiner traute sich etwas herauszugeben – aus Angst vor Verfolgung. In Hessen wurde sogar das Bundeskriminalamt eingesetzt, um Informanten herauszufiltern. Der Verfolgungsdruck ist unglaublich intensiv, wenn sich Behörden und Unternehmen der öffentlichen Kontrolle entziehen möchten.

Warum, glauben Sie, hat die BBC in diesem Fall den Informanten preisgegeben?

Ich habe nur eine Vermutung. Dass der zuständige Journalist, der die Geschichte hochgepäppelt hat, unter einem extremen Druck war, weil er Blairs Informationschef Alaster Campbell als Drahtzieher definiert hat, dafür aber keine harten Beweise hatte und der Druck auf die BBC entsprechend scharf war. Campbell wollte sich vom Vorwurf entlasten, er habe bei der Manipulation der Dossiers die Finger im Spiel gehabt.

War die BBC mit den Folgen ihrer bewusst aggressiveren Berichterstattung überfordert?

Ja, bestimmt. Die Schärfe, mit der die BBC berichtete, entsprach nicht mehr dem Bild, das man traditionell von der Institution BBC hat. Der Druck der Exklusivität, genauer: der Pseudo-Exklusivität war groß.

Anders als in Deutschland gilt im angelsächsischen Journalismus die heilige Regel, dass jede Information auf mindestens zwei Quellen beruhen muss. Ist das überhaupt durchzuhalten?

Klar, als Soll-Vorschrift schon. Die Absicherung durch eine zweite Ebene ist verpflichtend. Anders sehe ich das, wenn man sich auf seinen Informanten und die Aktenlage hundertprozentig verlassen kann. Das muss der Journalist im Einzelfall entscheiden.

Wird dieser Vorfall die altehrwürdige BBC, Vorbild des seriösen Journalismus, in ihren Grundfesten erschüttern?

Ja, das trifft sie im Kern. Und noch etwas anderes wird passieren: Es wird endlich eine breite, berufsethische Diskussion über Standards in Gang kommen. In diesem Punkt der ethischen Innenausstattung des Journalismus sind wir extrem unterentwickelt.

Das Gespräch führte Ulrike Simon.

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