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Absage. Güner Balci darf für den RBB keine Sarrazin-Doku drehen.

© Mike Wolff

Debatte: Der doppelte Sarrazin

Das ZDF war zuerst da: Nach ihrem aufsehenerregenden „Aspekte“-Stück verliert Journalistin Güner Balci einen RBB-Auftrag.

Erst wurde sie mit Thilo Sarrazin aus Kreuzberg rausgebrüllt, jetzt hat die Journalistin Güner Balci auch noch ihren Auftrag verloren. Für den Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) sollte sich die renommierte Autorin ein Jahr nach der Sarrazin-Debatte dem Fall in einer Dokumentation widmen. Interviews mit verschiedenen Gesprächspartnern wie Frank Schirrmacher, Mitherausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, sind bereits aufgezeichnet. Jetzt hat der RBB den Auftrag gekippt. Der Sender ist offenbar sauer, dass Balci mit Sarrazin vorab einen Film für das ZDF gedreht hatte. Vergangenen Freitag wurde der Beitrag in der Sendung „Aspekte“ ausgestrahlt. Balci war mit dem „Deutschland schafft sich ab“-Autor durch Kreuzberg gegangen. Bei einem Besuch eines Restaurants kam es zu Wortgefechten zwischen zwei Kreuzbergern und Sarrazin, der vor laufender Kamera das Restaurant verließ und von einer skandierenden Menge vertrieben wurde.

Die Umstände der Absage durch den RBB an Güner Balci klingen zunächst mysteriös. Die Produktionsfirma Lona Media habe ihm mitgeteilt, dass eine Katastrophe passiert sei, schildert Schirrmacher in einem am Donnerstag erschienenen Beitrag in der „FAZ“. In die Firma sei eingebrochen worden, alle Bänder für den Sarrazin-Beitrag seien gestohlen worden, habe ihm ein Mitarbeiter gesagt, man bitte ihn nun darum, noch einmal kommen zu dürfen – weil die Zeit dränge, aber ohne Güner Balci. Diese wiederum hat nach Schirrmachers Angaben nichts von gestohlenen Bändern gewusst, sondern nur, dass der RBB ihr den Film entziehen wolle. Schirrmacher hakte bei der Produktionsfirma nach. Diese habe keine Diebstahl-Anzeige bei der Polizei nachweisen könne und zugegeben, dass der Diebstahl „eine Notlüge“ gewesen sei. Eine Stellungnahme der Firma war am Donnerstag nicht zu erreichen.

Der „FAZ“-Bericht, so der RBB, gebe den Vorfall nur unvollständig wieder. Laut RBB-Erklärung vom Donnerstag habe sich der Sender nicht von Balci getrennt, er habe gar keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen zu ihr. Richtig sei, dass der RBB zum Jahrestag des Erscheinens von „Deutschland schafft sich ab“ Ende August einen Beitrag plante. Die Idee wurde mit Lona Media entwickelt, die mit der Produktion beauftragt wurde, als Autorinnen zeichneten Nicola Graef und als Ko-Autorin Güner Balci verantwortlich. Dieses Projekt habe der RBB aus rein journalistischen Gründen beendet, politische oder persönliche Motive hätten dabei keine Rolle gespielt, so RBB-Sprecher Justus Demmer.

Am Mittwoch habe der RBB gemeinsam mit Lona Media und dem WDR beschlossen, die Produktion der geplanten Doku „Thilo Sarrazin – ein Jahr danach“ zu beenden. Ausschlaggebend sei gewesen, dass entgegen eindeutigen schriftlichen Absprachen zur selben Thematik ein Magazinbeitrag für das ZDF realisiert und vor der für die ARD geplanten Doku gesendet wurde, der inhaltliche Überschneidungen zur geplanten Dokumentation und schon durchgeführten Dreharbeiten aufwies. Das gelte vor allem für Begegnungen Sarrazins mit Migranten in Kreuzberg. Vergleichbare Dreharbeiten habe es zuvor für den RBB gegeben, so Demmer. „Wegen des Verlustes der vereinbarten Exklusivität, der inhaltlichen Doppelungen und der Verwicklung der Ko-Autorin in die öffentliche Debatte hält der RBB das ursprünglich vereinbarte Konzept in der angedachten Konstellation für nicht mehr realisierbar und hat entsprechende Konsequenzen gezogen.“ Güner Balci wollte sich auf Anfrage des Tagesspiegels zu dem Vorfall nicht äußern.

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