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Aussprache: Rund 400 der insgesamt 3000 RBB-Beschäftigten besuchten am Dienstagmorgen in der Masurenallee eine Mitarbeiterversammlung zur Braune-Affäre. Foto: dpa

© picture alliance / dpa

Debatte um politische Einflussnahme: Intendantin Dagmar Reim stellt sich hinter Chefredakteur Singelnstein

Der Sender kommt nach einer Mitarbeiterversammlung etwas zur Ruhe – vorerst.

War das nun der erwartete Befreiungsschlag? Im Streit um einen RBB-Beitrag zur gescheiterten Eröffnung des neuen Berliner Flughafens hat sich die Senderintendantin Dagmar Reim hinter den TV-Reporter gestellt. Dessen Verhalten sei „völlig in Ordnung“ gewesen, sagte die Chefin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) nach Tagesspiegel-Informationen am Dienstagvormittag in Berlin bei einer Mitarbeiterversammlung. Reim sprach zudem Chefredakteur Christoph Singelnstein ihr Vertrauen aus. Hintergrund ist ein RBB-Beitrag vom Mai 2012. Darin hatte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) ungehalten auf eine Reporterfrage reagiert. Nach einem Anruf von Brandenburgs Regierungssprecher Thomas Braune zuerst in der Redaktion und später bei Singelnstein wurde der Beitrag für die folgende Nachrichtensendung geändert.

Später bekannte der Chefredakteur gegenüber dem Redakteursausschuss des RBB, dass dies möglicherweise ein Fehler gewesen sei. Braune hatte dem Reporter unlautere Methoden bei seiner Berichterstattung vorgeworfen, dies am Montag aber in einem Brief an die brandenburgische Landespressekonferenz zurückgenommen.

Für den Sender nun habe die Debatte zwischen dem Redakteursausschuss und dem Chefredakteur gezeigt, dass die senderinternen Mechanismen funktioniert haben. Die Mitarbeiter rief Intendantin Reim auf, weiterhin gegen die Versuche von Einflussnahme von Außen abwehrbereit zu bleiben. In der Mitarbeiterversammlung unterstrich Reim, dass sie die Unabhängigkeit des Senders keineswegs gefährdet sehe, sagte RBB-Sprecher Justus Demmer auf Nachfrage. „Der RBB ist von der Politik so abhängig wie der Papst von Ecstasy“, schloss Reim ihre in sechs Punkte gegliederte Ansprache an die Belegschaft. Öffentlich wolle sich die Intendantin bei der nächsten Rundfunkratssitzung am 11. April zu dem Fall äußern. Eine außerordentliche, vorgezogene Sitzung sei nicht notwendig, sagte Friederike von Kirchbach, Vorsitzende des Rundfunkrates, dem Tagesspiegel.

Am Mittwoch will sich der Hauptausschuss des brandenburgischen Landtags in einer Sondersitzung mit der Geschichte beschäftigen. Christoph Singelnstein werde daran nicht teilnehmen, da er keine Einladung erhalten habe, sagte Demmer. Am Mittwoch wird sich die Personalvertretung mit den Ergebnissen der Mitarbeiterversammlung beschäftigen. Derweil wächst in Mitarbeiterkreisen die Sorge, dass der Fall landespolitisch instrumentalisiert werde. Die Diskussion bei der Belegschaftsversammlung, an der rund 400 von insgesamt 3000 Mitarbeitern teilnahmen, verlief nach Tagesspiegel-Information zwar angespannt, aber sachlich. Relativ wenig war zu spüren von dem Groll und Unmut gegenüber der RBB-Spitze, der unter der Belegschaft in den vergangenen Tagen zu vernehmen war, auch angesichts der Außendarstellung des öffentlich-rechtlichen Senders.

Reim versuchte, die Wogen zu glätten. Die SPD-Mitgliedschaft ihres Chefredakteurs findet sie unproblematisch. Festgefahrene Ideologien sehe Reim in den Medien häufig, nicht jedoch bei ihrem Chefredakteur. Der inkriminierte Vorgang an sich wurde von einigen Fragestellern als Lappalie empfunden: Der aus dem Beitrag geschnittene Satz von Ministerpräsident Matthias Platzeck, er wolle sich zum Flughafen nicht nicht mehr äußern, sei nicht der Rede wert. Teilnehmer der Versammlung fragen sich, warum dann Singelnstein wegen dieser Lappalie in die Unabhängigkeit der Redaktion eingriff. Und: Warum er sich im Nachhinein nicht vorbehaltlos hinter den freien Redakteur gestellt habe, der Platzeck interviewen wollte. Dem „Spiegel“ hatte Singelnstein gesagt, der Mitarbeiter habe Platzeck mit der Kamera sozusagen überfallen.

In beiden Fällen gab sich Singelnstein vor der Belegschaft reumütig. Die Äußerung im „Spiegel“ habe er so nicht gemeint. Das journalistische Vorgehen des Mitarbeiters sei absolut in Ordnung gewesen. Auf einen solchen Eingriff in die redaktionelle Freiheit der Redaktion „Brandenburg Aktuell“ würde er daher heute verzichten. Und nun? Ist das Ansehen des RBB wieder hergestellt? Manche wünschten sich einen Ombudsmann oder die Einsetzung einer unabhängigen Kommission, um etwaige Verdachtsfälle politischer Einflussnahme auf den RBB zu klären. Vielleicht braucht es das aber gar nicht. „Wir fühlen uns in unserer Position gestärkt. Der Chefredakteur, die Geschäftsführung und vor allem viele Mitarbeiter haben unsere Auffassung in der aktuellen Diskussion bestätigt. Darauf werden wir uns in unserer Arbeit berufen“, sagt Lutz Oehmichen vom Redakteursausschuss. Die Debatte sei nicht beendet.

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