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DER BALL  ist eckig: Delling oder der Flüssigbeton

ARD-Moderator Gerhard Delling meldete sich bei seiner EM-Premiere aus einem Kellerloch. Dafür hatte er die Haare schön.

Immerhin die Folklore stimmte. Oder zumindest das, was man sich bei der ARD so unter Folklore vorstellt. Das ganze Lokalkolorit-Ding. Denn Fernsehauftakt der Europameisterschaft war zwischendurch eine Aufzeichnung aus einem Kellerloch. Da meldete sich Gerhard Delling mit Gastexperte Mirko Slomka aus einem Bunker, in dem ganz offensichtlich die Zeit zurückgedreht worden war. DDR-Tapete mit Uefa-Logo, davor zwei Männer mit eckigen Kabelmikrofonen in der Hand. Das war dann mehr unfreiwillige Satire als echte Analyse. „Zwei Stühle, eine Meinung“ auf Deutsche Welle Polen. Passend dazu hatte sich Delling im Laufe der ersten Halbzeit eine Günter-Netzer-Gedächtnis-Matte gekämmt. Seitengescheitelter Flüssigbeton.

In diesem Setting, mit dieser Frisur war nicht mehr mit letzter Sicherheit zu sagen, ob das noch EM 2012 oder nicht doch eine bereits 1973 abgedrehte und nun aus der Konserve geholte Folge „Aktenzeichen XY“ war. Wobei sich der immer freundliche Mirko Slomka nicht entscheiden konnte, welche Rolle er dort spielen sollte. Der Trainer entschied sich, und das ehrt ihn, für eine Mischung aus hilfsbereitem Hauptkommissar und dem Fahndungsbild eines Kleinganoven, der noch eben im Raum Hannover einen Goldschmied ausgeräumt hatte. Immerhin das klappte.

Ansonsten bleibt von diesem Vorabend in Warschau vor allem eines hängen: Gerhard Delling ganz ohne Günter Netzer, das ist noch immer ungewohnt. Für den Zuschauer, für Delling selbst. Als wäre er, der Strohwitwer, in Abwesenheit seines früheren Telegatten mit der Asbest-Frisur nur ein halber Moderator, ein trauriges Experiment. Ohne das Ehepaar Netzer-Delling ist Fußball in der ARD nur Fernsehen für Leute, die zum Lachen in den Keller gehen – oder dort gleich noch moderieren. Lucas Vogelsang

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